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Die normative Geheimwaffe und die Hinterköpfe Von Ralf Sotscheck

Der Herbst ist die Zeit der Parteitage in Großbritannien. Die Grünen und die Liberalen haben die Sache schon hinter sich gebracht. Heute fängt die Politshow der Labour Party im englischen Seebad Blackpool an, die Tories folgen nächste Woche in Bournemouth. Ob Premierminister John Major dann seine Geheimwaffe auspackt, ist ungewiß. Zu oft ist sie in letzter Zeit nach hinten losgegangen.

Bei den Wahlkampfstrategen der Konservativen hat sich die nicht von der Hand zu weisende Erkenntnis breitgemacht, daß sie im nächsten Frühjahr an der Urne mit ihrem Spitzenmann baden gehen werden. Deshalb setzen sie auf Norma Major. Die ist zwar genauso grau wie der Anzug ihres Mannes, aber dafür hat man Cherie Booth, die Frau des Labour- Chefs Tony Blair, zur Inkarnation des Bösen erhoben: eine Anwältin, igitt – man sieht ja, wozu das bei Bill Clinton geführt hat.

Leider patzt Norma andauernd. Als sie gefragt wurde, ob sie Cherie Booth einen Tip für das Amt als First Lady geben könnte, antwortete Norma: „Sie wird es auf ihre Art machen.“ Wird! Kein Konjunktiv! „Nicht mal Norma glaubt mehr an ihren Mann“, frohlockte die Presse. Und dann kramte man die alte Geschichte aus, als sie vor vier Jahren an zwei aufeinanderfolgenden Tagen dasselbe blaue Kleid trug. „John gefiel es so gut“, wälzte sie die Schuld auf den angetrauten Einfaltspinsel ab. Sie sehe aus wie eine Frau, die im Treibsand stecke, während ihr jemand die Mahnung der Leihbücherei für ein überfälliges Buch reiche, behauptet der Journalist John Walsh.

Und dann ist da noch die Geschichte mit der kleinen Porzellanpuppe, die sie immer noch verfolgt – unter Anteilnahme der Medien. Sie mußte die Puppe in die große Spielzeugkiste im Gemeinschaftszimmer legen, als sie im Alter von vier Jahren ins Heim kam. „Nein, das kann nicht richtig sein“, echauffiert sie sich noch heute, „ich kann es nicht fassen, daß von einem verlangt wird, seine Porzellanpuppe zu all dem Müll zu legen.“ Warum hat John ihr bloß in all den Jahren keine neue Puppe gekauft? Nun wird sie in den Medien gehänselt, sie habe die „Ausstrahlung einer fanatischen Erbsenkocherin“.

Dabei hat sie gerade ein Buch über Chequers veröffentlicht, den Landsitz britischer Premierminister seit 1921, als Lord Lee das Haus der britischen Nation schenkte. Lee hatte damals dunkle Vorahnungen. „Man kann leider nicht voraussagen, aus welcher Klasse die künftigen Machtinhaber dieses Landes stammen werden“, schrieb er. Und nun schreibt ausgerechnet Norma Major über sein Haus, die Frau des Premierministers, der die klassenlose Gesellschaft propagiert. Sie selbst hat an der Macht des Gatten inzwischen Geschmack gefunden. „Das Tollste daran ist, daß man überall vorne sitzen darf“, findet sie. „Es wird ein ziemlicher Schock für mich, wenn ich wieder auf all die Hinterköpfe starren muß.“

Angesichts dieses geballten Dünnpfiffs geht Tony Blair auf Nummer Sicher. Er hat mit dem Liberalen-Chef Paddy Ashdown einen Pakt geschlossen, der den beiden Ehefrauen, Cherie Booth und Jane Ashdown, den Mund verbietet – jedenfalls in der Öffentlichkeit. Recht haben sie: Wenn es um politische Eigentore geht, brauchen Blair, Ashdown und Konsorten keine Hilfe von Frauen.

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