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Rücksichtslos

Als ich heute morgen de Klappe von mein' Kiosk aufmachen will, wär ich beinah über was gestolpert. Ich guck runter, was das wohl für'n Hindernis ist, da lehnt sich'n Berber gegen die Wand von mein' Geschäft! Hockt da mit angezogene Beine, Birne auffe Knie und ratzt in alle Seel'nruhe ein' weg! „Äi, Sportsfreund“, sag ich denn auch in meine burschikose Art, „aufsteh'n! Ein neuer Arbeitstag fängt an!“ Aber er reagiert gar nicht. Klar, daß mein Ton nu schon 'n bischen schärfer und sah ja auch von seine Figur her nicht besonders gefährlich aus. „Nu beweg dein' Ahsch mal 'n Kilometer weiter längs und mach 'ne Fliege!“ Oder soll ich erst Herr Wrocklage und den Stadtabwicklungssenator Mirow Bescheid sagen, daß die hier 'ne Wanne mit Bull'n vorbeischicken?“ Er gibt immer noch nix von sich. Allmählich werd ich wirklich bischen elektrisch: „Wenn du dich nicht inne nächste Sekunden verflüchtigst, denn ruf ich wirklich de Schmiere an, denn du bist 'ne echte Umweltverschmutzung! Erstens von deine Ausdünstung' her und zweitens von dein' Anblick... Und drittens ist das dazu noch Hausfriedensbruch und Geschäftsschädigung! Also: verpfeif dich! Die vonne Stadt aus hab'n das nämlich heftig mitte Hügiäne, indem se de Tauben vergiften, und für de Berber lassen se sich bestimmt auch 'ne Aktion einfall'n, um de Stadt zu säubern...“ Und tret ihn inne Seite. Da fällt er um wie ein Sack: ex! War schon ganz steif! Naja, ich hab denn bei de Stadtreinigung angerufen. Aber die war'n wieder mal nicht zuständig. Schließlich ist denn de Feuerwehr gekomm' und hat ihn entsorgt.

Ich mein, daß ist aber auch ein Unding! Ich hab gegen kein' Menschen was, „leben und leben lassen“ ist immer meine Devise gewesen... und bezieht sich auch auf diese Mitbürger. Aber erstens war er nicht mehr an' Leben und zweitens: diese Rücksichtslosigkeit! Lehnt sich zun Löffelabgeben gegen den Betrieb von ein' Kleingewerbetreibenden! Verscheucht ihn de Kunden! Säuft er sich tot oder setzt sich 'n Goldenen oder erfriert oder was weiß ich: gut, das ist sein Privatvergnügen.. aber warum zieht er ausgerechnet bei MIR diese Schau ab? Warum hängt er sich nicht vor sonne vornehme Butiek anne Alsterarkaden? Oder pflanzt sich vor den Eingang vonne Kunsthalle? Allerdings würde ihn da nie einer abtransportieren, weil jeder denkt, das wär'ne moderne sozialkritische Plastik...

Wie gesagt: 1000 Möglichkeiten, um wenigstens noch'n bischen was aus sein' Ableben rauszuhol'n, aber AUSGERECHNET MEIN' KIOSK VERPASST ER'N NEGATIVIMMÄTSCH!

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