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Digitale Goldgräber

In Spanien und den USA rüsten sich die Konzerne für das Pay-TV in Lateinamerika  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Die mexikanische Fernsehanstalt Televisa hatte sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um dem breiten Publikum ihre neuen Überseegeschäfte vorzustellen. Spaniens Ministerpräsident José Maria Aznar durfte in einem Interview am Ende seines ersten Lateinamerika-Besuchs brav bestätigen: „Es wird nicht mehr lange dauern, und die Spanier werden 50 bis 60 Fernsehkanäle empfangen.“

Damit ist der älteste Wunsch von Televisa-Chef Emilio Azcarragá wahr geworden: Zusammen mit Spaniens Staatsfernsehen RTVE wird der Sender des mexikanischen Multimillionärs künftig auf der Iberischen Halbinsel operieren – mit allerneuester Digitaltechnik. Im Gegenzug wagen die Spanier den Vorstoß nach Lateinamerika – als Teil eines buntgemischten Konsortiums, an dem auch der US-Mediengigant Time Warner (vertreten durch den größten amerikanischen Kabelanbieter TCI), das brasilianische Privatfernsehen O Globo und der australische Medienzar Rupert Murdoch mit seiner News Corporation beteiligt sind.

„Das Schlachtschiff unseres Landes“

Bereits im Frühjahr nächsten Jahres sollen die ersten Programme ausgestrahlt werden. Für 50 Mark im Monat ist dann ein Grundpaket aus acht thematisch getrennten Kanälen erhältlich. Sport und Spielfilme werden nach Benutzerzeit abgerechnet. Trotz der geschätzten 1,5 Milliarden Mark Investitionen für einen zusätzlichen, dritten spanischen Fernsehsatelliten verspricht die Digitalisierung Südamerikas ein gutes Geschäft zu werden. Denn das „höchste kulturelle Gut und Schlachtschiff unseres Landes“ (Ministerpräsident Aznar über die spanische Sprache) wird weltweit von rund 400 Millionen Menschen gesprochen – der größte Teil davon lebt in Südamerika. Entsprechend werden sich die Antennen von Hispasat 3 hauptsächlich gen Brasilien, Argentinien und Chile richten. 70 Millionen Haushalte auf dem 343 Millionen Einwohner zählenden Subkontinent verfügen über ein Fernsehgerät, und auch wenn laut einer Studie davon nur 30 Millionen als potentielle Kunden für das Fernsehen à la carte in Frage kommen, ist der Markt lukrativ. Schließlich sind das die Reicheren.

Auch CNN will bald auf spanisch senden

Zusätzlich zum Geschäft auf dem Subkontinent hat das Konsortium die USA im Auge. Auch dort leben 25 Millionen Hispanos. Seit Generationen haben sich die Einwanderer ihre Sprache erhalten. So entstand eine eigene Kultur, deren Fernsehbedarf bereits heute von Televisa mit herkömmlichem Satellitenfernsehen von Mexiko aus abgedeckt wird. Selbst der Nachrichtensender CNN denkt mittlerweile laut über spanischsprachige Sendungen nach.

Angesichts der Goldgräberstimmung scheinen die Zeiten, als Aznars konservative Partido Popular im Wahlkampf ankündigte, RTVE zu privatisieren, endgültig vorbei zu sein. „Die größte Gruppe für audiovisuelle Kommunikation Spaniens gehört Dir“, wirbt das staatliche Fernsehen nun zweiseitig in allen großen Tageszeitungen – eine Kampagne, die sich in erster Linie gegen Spaniens Private richtet, allen voran den Mediengiganten Prisa rund um die größte Tageszeitung des Landes, El Pais. Prisa will mit Hilfe des konzerneigenen Pay-TV Canal + und dem US-amerikanischen Konzern Hughes Communication auf den gleichen Markt vorstoßen. Der Allroundanbieter Hughes vereint von der Satellitenproduktion über Abschußrampen bis hin zu 150 Kanälen mit 1,8 Millionen Abonnenten alles unter einem Dach. Der jährliche Umsatz liegt bei 20 Milliarden Mark – soviel wie alle Partner von RTVE zusammen.

Hughes hatte bereits vor einigen Monaten das erste Digitalfernsehen für Lateinamerika aus der Taufe gehoben: Galaxy, das zusammen mit einheimischen Anstalten von Mexiko, Venezuela und Brasilien aus sendet. Prisas Canal + mit seinen 1,3 Millionen Abonnenten in Spanien und seiner eigenen Film- und Dokumentarproduktion würde nun hervorragend ins Konzept passen.

Auch Global Player Leo Kirch will in der spanischsprachigen Welt mitverdienen und verhandelt bereits mit Spaniens Telefongesellschaft Telefónica über die Bereitstellung von Kabelnetz und Satelliten. Er selbst könnte die Decoder dazu liefern. Telefónica operiert schon länger im Fernsehbereich, denn in Spanien ist die Telefongesellschaft – so sieht es das neue Kabelgesetz vor – automatisch der erste von zwei Kabelfernsehanbietern, und in Lateinamerika verfügen verschiedene Tochterunternehmen insgesamt über eine Million Kabelabonnenten. Von solchen Zahlen kann Leo Kirch mit seinem deutschen Digital-TV DF 1 bisher nur träumen.

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