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Ausgezeichnetes Spekulationsobjekt

Eimsbüttler Prachtbau droht die Umwandlung / Bezirksamt ist machtlos  ■ Von Marco Carini

Die MieterInnen rechnen mit dem Schlimmsten. „Alles spricht dafür, daß unsere Wohnungen in Eigentum umgewandelt werden sollen“, befürchtet Helmut Behr, Bewohner des Hauses Methfesselstraße 84 in Eimsbüttel. Denn das vor 104 Jahren erbaute Eckhaus zum Stellinger Weg 36-38 sei, so heißt es in einem MieterInnen-Rundbrief, in die Hände eines „berüchtigten Spekulanten“ gefallen.

Gemeint ist der Kaufmann Karl-Michael D,. der Immobilienfirmen und Eimsbüttler Altbauten sammelt wie andere Leute Briefmarken. Willi Lehmpfuhl vom Mieterverein zu Hamburg weiß denn auch: „Der Mann steckt ganz tief im Umwandlungsgeschäft“. Eine Mitarbeiterin des Geschäftsmannnes kündigte mehreren MieterInnen bereits an, zumindest „die Wohnungen, die freiwerden“ als Eigentum zu verkaufen.

Im August erfuhren die rund 90 Mietparteien des Prachtgebäudes, das 1900 auf der Pariser Weltausstellung eine Architektur-Auszeichnung erhielt, daß ihre Wohnungen für rund 10 Millionen Mark in den Besitz der „Veritas Immobiliengesellschaft“ übergegangen sind und fortan von D.'s „Artus GmbH“ verwaltet werden.

Da beide Firmen den MieterInnen bis Mitte vergangener Woche keine Vollmacht des Vor-Besitzers „Bauverein zu Hamburg“ vorlegen konnten, weigerten sich viele HausbewohnerInnen wochenlang, die Miete zu zahlen. Zudem forderten sie die neuen Besitzer auf, schriftlich zu erklären, auf eine Umwandlung der Mietwohnungen in Eigentum zu verzichten.

Doch dazu ist die Veritas bislang nicht bereit. Stattdessen kündigte sie den zahlungsunwilligen BewohnerInnen rechtliche Konsequenzen an. „Juristisch ist diese Drohung völlig haltlos“, beruhigt jedoch Mietervereins-Berater Willi Lehmpfuhl die HausbewohnerInnen.

Die BewohnerInnen des Eckhauses stellen sich nun auf „einen harten Kampf“ gegen die neuen Eigentümer ein. Transparente für die Balkone sind schon vorbereitet, eine erste MieterInnenversammlung hat stattgefunden. Bereits einmal, im Jahr 1993, war es den EimsbüttlerInnen gelungen, den ehemaligen FDP-Politiker und Bauvereins-Mehrheitseigner Kai Wünsche durch MieterInnenproteste dazu zu bewegen, seinen Umwandlungsideen öffentlich abzuschwören.

Bei ihrem Widerstand können die Eimsbüttler HausbewohnerInnen allerdings nicht auf Unterstützung des Bezirksamtes hoffen. Zwar liegt das Objekt der Spekulationsbegierde mitten im Erhaltenssatzungsgebiet Eimsbüttel Nord/Hoheluft West, in dem Hamburg über ein Vorkaufsrecht für umwandlungsbedrohte Häuser verfügt. Doch da in den öffentlichen Töpfen Ebbe herscht, kann die Stadt es in der Praxis nicht wahrnehmen. „Eine zweistellige Millionensumme können wir nicht auf den Tisch legen“, weiß Susanne Wirbel vom Eimsbüttler Bezirksamt.

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