: Bei Waffengebrauch Vorsicht geboten
■ Ein flüchtender Räuber erschoß auf dem Gänsemarkt einen Passanten / Wann ist Eingreifen bei Angriffen sinnvoll?
Tödliches Heldentum oder tragisch bestrafte Zivilcourage? Der Tod von Rolf P., der sich am Donnerstag abend auf dem Gänsemarkt einem flüchtenden Räuber in den Weg stellte und von diesem erschossen wurde, wirft erneut die Frage nach dem Einschreiten in brenzligen Situationen auf.
Rolf P. hatte den Überfall auf ein Juweliergeschäft, bei dem der Täter Schmuck und rund 1000 Mark Bargeld erbeutet hatte, nicht beobachtet. Er hatte in einer Kneipe gesessen, als der Juwelier mit dem Täter auf dem Gänsemarkt rangelte, und Hilferufe gehört. Rolf P. wollte helfen – nicht ahnend, daß der Räuber eine geladene Schußwaffe im Hosenbund hatte. Der Täter zog – möglicherweise in Panik geraten – die Pistole und feuerte ab. Er ist flüchtig, ließ nur seine schwarze Lederjacke zurück. Rolf P. starb kurz danach im UKE an seinen schweren Verletzungen.
Als ZeugIn einer Straftat hat man nicht die Pflicht, diese zu verhindern. Niemand ist gezwungen, Hilfspolizist zu spielen oder sich selbst in Gefahr zu bringen. Zwar müssen PassantInnen jemanden in hilfloser Lage unterstützen, aber nur, wenn es „zumutbar“ ist.
So riskante Fälle wie am Donnerstag abend, in denen Zivilcourage gefragt ist, sind selten. Häufiger wird der eigene Mut auf die Probe gestellt, wenn es um Pöbeleien, beispielsweise um eine Anmachsituation in der U-Bahn geht. Hier kann schon das Wort eine Waffe sein. Oft reicht es, den Täter darauf aufmerksam zu machen, daß man ihn beobachtet.„Die Entscheidung über ein Eingreifen fällt in Sekundenschnelle“, erklärt der Pressesprecher der Polizei, Reinhard Fallak, wieso Rolf P. offenbar die Gefährlichkeit der Situation nicht einschätzen konnte. Sein Tip: „Ist eine Waffe im Spiel – lieber stehenbleiben, den Täter beobachten!“ Sonst entwickle sich die Situation unkontrollierbar. Auch bei Messern rät Fallak zur Vorsicht, denn „wissen Sie, ob Sie einen geübten Messerstecher vor sich haben?“
Rolf P. konnte kaum davon ausgehen, daß der Räuber eine Pistole bei sich führt. Denn das ist selten der Fall. Zwar werden nur wenige Raubüberfälle von der Polizei aufgeklärt, so daß es keine Erkenntnisse darüber gibt, ob und welche Waffen TäterInnen bei sich tragen.
Wegen der Ähnlichkeit von scharfen Waffen mit Gas- oder Schreckschußpistolen sei aber davon auszugehen, so die Polizei, daß die von ZeugInnen beschriebenen Pistolen oft ungefährlicher waren, als es schien.
Elke Spanner
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