: Koalitions-Krise um Krümmel-Comeback?
■ Mainzer Institut spricht von neuem Leukämie-Fall in der Elbmarsch
Wieder mal eine Hiobsbotschaft aus Krümmel: In unmittelbarer Umgebung des Atommeilers ist möglicherweise ein weiteres Kind an Leukämie erkrankt. Der neue Blutkrebsfall wurde vom Mainer Universitäts-Institut für medizinische Statistik und Dokumentation ermittelt, dessen Mitarbeiter aus datenschutzrechtlichen Gründen aber keine weiteren Angaben machen wollten.
Nach Mitteilung des Kieler Umweltministeriums will Institutsleiter Jürgen Michaelis erst auf einer Sitzung der Leukämiekommission Ende des Jahres einen detaillierten Bericht über die Leukämiebefunde geben. Ministeriumssprecher Wolfgang Götze mochte die Meldung über den neuen Leukämiefall deshalb am Freitag „weder dementieren noch bestätigen“.
Dem Ministerium lägen „keine überprüfbaren Daten“ zu diesem Fall vor. Inzwischen sei das Mainzer Institut aber schriftlich aufgefordert worden, zu seinen Behauptungen Stellung zu nehmen. Götze: „Wir können da unmöglich noch Wochen warten.“ Johannes Altmeppen, Sprecher der Hamburgischen Electricitätswerke, hingegen erklärte, ein neuer Blutkrebs-Fall sei ihm „nicht bekannt“.
Mit der jüngsten Erkrankung würde sich die Zahl der Kinder, die im Umkreis von fünf Kilometern um den Atommeiler erkrankt sind, auf zehn erhöhen, davon allein vier seit 1995. Welche Konsequenzen die Aufsichtsbehörde, das Kieler Energieministerium, aus dem neuen Leukämiefall und den in den vergangenen Wochen angestellten Sicherheitsuntersuchungen in dem zur Zeit abgeschalteten Atommeiler zieht, ist noch unklar.
Auch die endgültige Bewertung eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, in dem eine 1991 erteilte Genehmigung für den Einsatz neuartiger Brennelemente in Krümmel für anfechtbar erklärt wurde, steht noch aus. Denn die zwischen die Fronten geratene Kieler Behörde ist zur Zeit führungslos, da Energieminister Claus Möller (SPD) noch bis zum kommenden Montag im Urlaub weilt. Die Ministeriums-Juristen aber sehen zur Zeit keine rechtliche Möglichkeit, aufgrund des Richterspruchs der HEW eine Wiederanfahrgenehmigung für Krümmel zu versagen.
Ganz anders der schleswig-holsteinische Koalitionspartner: Die Grünen forderten Möller am Freitag auf, den Sofortvollzug für die rechtlich umstrittene Brennelemente-Genehmigung zurückzunehmen und damit den Atomreaktor de facto stillzulegen. Nicht nur dem zur Zeit äußerst schweigsamen grünen Staatssekretär des Energieministeriums, Wilfried Voigt, steht damit eine Bewährungsprobe bevor – auch in der schleswig-holsteinischen Koalition knirscht es gewaltig.
Marco Carini
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