: Anatomie eines PinUp-Girls
■ Annie Sprinkle trägt aus ihrem Filmtagebuch 25 Jahre als Porno-Queen vor
Einst ließ sie die Zuschauer mit Spiegeln in ihren Gebärmutterhals spähen. Mit dieser Performance trieb Ellen Steinberg alias Annie Sprinkle zuletzt in „Post Porn Modernist“ den männlichen Voyeurismus auf die Spitze und führte den Blick auf den weiblichen Körper durch extreme Nahaufnahmen ad absurdum. Nicht zuletzt damit wurde Annie Sprinkle über Schenkelklopfer- und Novelty-Kreise hinaus als feministische Performerin geführt, die virtuos mit Blicken spielt. Doch diese Tage sind für Annie Sprinkle – wie ihre neue Show „Hardcore From The Heart“ im Schmidt nahelegt – endgültig vorbei.
Geläutert blickt Sprinkle zurück auf ihr Leben. Anhand von Filmausschnitten, die sie ironisch kommentiert, macht sie ihr exzessives Leben öffentlich. Von den Low-Budget-Streifen, bei denen die eingeführte Salami aus Kostengründen am Set verspeist wurde, über die größeren Budgets für DPs (Double Penetrations) zu den S/M-Szenen der frühen 80er und den Pornos für Frauen und der Safer-Sex-Erziehung im Zeitalter von Aids erzählt sie gleichzeitig eine kleine Geschichte der Pornographie.
Heuer ist Sprinkle, deren Künstlername von ihrem geschickt gelenkten Urinstrahl stammt, als „spirituell Suchende“ bei Station 7 ihrer Lebensbeichte angelangt. Mit Tantra, Räucherstäbchen, Buckelwalen und anderem Kokolores predigt die 43jährige nun spirituell und frisch lesbisch vermählt die Sinnlichkeiten der Liebe. Dies ist aber keine weitere Station ihres Lebens, sondern die einzelnen Stoffbänder aus den Erinnerungskästchen, die auf der Bühne in einem kitschigen Bild gebündelt werden.
Diese 25 Jahre als Porno-Queen hätte man gerne als Dokumentarfilm gesehen oder als Erzählung am Küchentisch gehört. Doch von Annie Sprinkle selbst vorgetragen, gerieten sie zu einer allzu moralischen Beichte, samt Ratschlägen zur Streßbewältigung und der Weltenheilung durch Sex. Von der Sexworkerin zur Socialworkerin, wie der Amerikaner sagt. Ein weiter Weg, so nah.
Volker Marquardt
bis zum 27. Okt., Schmidt, 20 Uhr
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