: Sanierung mit Abrißbirne
■ Parteien-Streit um die Vernichtung billigen Wohnraums am Hafenrand
Auf der Sitzung der Bezirksversammlung Mitte ging es am Dienstag turbulent zu. Die GAL-Abgeordnete Stefanie Neveling spricht gar von „tumultartigen Szenen“. Thema des Parteienstreits: Die Pläne der Schiffs-Registratur Germanischer Lloyd, am Hafenrand billigen Wohnraum plattzumachen.
Vier Altbauten am Vorsetzen 41/42 und Wolfgangsweg 9 und 11 sollen abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden. Während im Wolfgangsweg laut Lloyd „mindestens soviel Wohnraum neu gebaut wird, wie durch den Abriß insgesamt verloren“ gehe, sollen im Vorsetzen Büroklötze entstehen – obwohl in der südlichen Neustadt 23.000 Quadratmeter Bürofläche leerstehen. Für den Abriß wurde den MieterInnen gekündigt – die ersten Räumungsklagen sind bereits in Gange.
Ein von der Bezirksversammlung beschlossener SPD-Antrag, in dem nur von einer „Sanierung“ der Bauten die Rede ist und ein Kündigungs-Moratorium gefordert wird, reichte der GAL am Dienstag nicht aus. Sie forderte, einen Abriß der Wohnungen zu verhindern, blitzte damit aber bei CDU und SPD ab.
Brisant: Die SPD-Fraktion lehnte den GAL-Antrag auch mit der Begründung ab, es gäbe noch keinerlei konkrete Abrißanträge des Schiffs-Unternehmens. „Glatt gelogen“, schimpft die Galierin Neveling. Denn bereits am 1. Oktober debattierte der Wohnungsausschuß über einen für den Abriß notwendigen Zweckentfremdungsantrag des Lloyd für den Wolfgangsweg Im Protokoll ist nachzulesen, daß „der Eigentümer beabsichtigt, das 1948 wieder aufgebaute Gebäude mit 36 Wohneinheiten und einer Gesamtfläche von 1.430 Quadratmetern abzubrechen“, um ein Haus „mit 5 - 6 Vollgeschossen zu errichten“.
Doch diejenigen Bezirksversammlungs-Mitglieder, die der Ausschuß-Sitzung beigewohnt hatten, schwiegen während der Parlamentsdebatte. Da auch die GAL von ihrem Ausschußmitglied über den Sachstand nicht informiert worden war und erst gegen Ende der Sitzung Wind von dem Zweckentfremdungsbegehren bekam, versuchte sie den gerade beschlossenen SPD-Sanierungs-Antrag „zurückzuholen“. Aber die große Koalition mochte – Sanierung hin, Abriß her – kurz vor Feierabend an den einmal gefällten Beschlüssen nichts mehr ändern.
Hintergrund der Parlamentsposse: Der Germanische Lloyd will seine Belegschaft aufstocken und braucht dafür am Vorsetzen Platz. Selbst wenn die Schiffs-Prüfer den abgerissenen Wohnraum vollständig durch sozialen Wohnungsbau ersetzen, würden die Mieten um rund 50 Prozent steigen. Lloyd-Sprecher Peter Davenport: „Das ist nicht von der Hand zu weisen.“
Marco Carini
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