: Nie wieder Mallorca
Abenteuer-Urlaub total: Hamburger Reiseveranstalter bietet Kriegsspiele auf eigenes Risiko in der Ukraine an ■ Von Marco Carini
Kinderträume und Männerphantasien: fette Panzer fahren, in einem Überschalljäger der Stratosphäre entgegenfliegen, mit schwerer Munition in die Gegend ballern. Die „Aro x-treme Travel Agency Hamburg“ macht diesen „absoluten Action-Spaß“ möglich. Abenteuerreisen auf ein Kasernengelände bei Kiew sollen „den besonderen Kick“ bieten, „von dem jeder Mann und“ – Achtung! – „jede selbstbewußte Frau träumt“. Stalingrad läßt grüßen.
„Der totale Wahnsinn“, wirbt die extreme Reise-Agentur für ihr extravagantes,“ weltweit exklusives“ Freizeitangebot – und hat damit vermutlich vollkommen recht. Camel-Trophy und Wehrsportgruppen wirken im Vergleich dazu schon ziemlich altbacken. Rumballern im wilden Osten statt Lichterketten für den Frieden – wem fällt da die Wahl schon schwer.
Zwei Varianten solch sinnstiftender Freizeitgestaltung hat die Travel-Agency, die mit lustigen Bildern schwerbewaffneter Soldaten und rollender Panzer für ihren extravaganten Spaß wirbt, im Angebot: Für Preise zwischen 9000 und 15.000 Mark kann der mallorcamüde Pauschaltourist – ein fliegerärztliches Attest vorausgesetzt – mit einer MIG oder einer Zuchorev im zweifachen Überschall-Tempo Richtung Stratosphäre jetten. 18.000 Meter hoch geht es in den Himmel hinein (und leider auch wieder zurück).
Das zweite Angebot ist billiger und bodenständiger: Für sieben- bis achttausend Mark darf der Abenteuer-Reisende drei Tage lang auf einem Truppenübungsplatz in der Nähe von Kiew rumballern, was das Zeug hält, und nebenbei noch Panzer fahren. Drei Nächte in „einem bewachten Hotel“ untergebracht, stehen dann für die Möchtegern-Soldaten Kalaschnikow-Maschinenpistolen, Granatwerfer, Panzerzerstörer, Infrarot-Nachtfeuerwaffen und Luftabwehrgeschütze zur freien Verfügung. Mit so „richtig schwerer Munition“, prahlt Agentur-Mitarbeiter Andreas Rotsolk, könnten da alle knattern und knallen, „für die der Schützenverein zu langweilig ist.“
Am 30. November soll der erste Kriegsspieltreck gen Osten starten – das Interesse ist nach Agentur-Angaben „überraschend groß“. Gegen Bares habe das GUS-Verteidigungsministerium dem Touristen-Manöver freudig zugestimmt. Andreas Rotsolk: „Die brauchen halt Devisen.“
Für den Fall, daß der eine oder andere Waffenfanatiker beim Kriegsspiel mit dem ausgemusterten russischen Waffenschrott auf der Strecke bleibt, hat sich die Reiseagentur der besonderen Art bereits abgesichert: Die Tour, so Rotsolk, „ist absolut auf eigenes Risiko, nur der Hin- und Rückflug sind versichert“. Na dann: Auf in den Kampf!
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