: "Liebe taz..." Streit muß sein - betr.: Erinnern für die Zukunft
Betr.: „Erinnern für die Zukunft“
Die Initiative „Erinnern für die Zukunft“ ist in die Schlagzeilen geraten. Selbstverständlich gehe ich davon aus, daß in einer pluralistischen Demokratie über alle wesentlichen Fragen gestritten werden darf und muß. Freilich ist den Medien entgangen, daß „Erinnern für die Zukunft“ selber Zensur ausübt und, aus meiner Sicht, erheblich an Seriosität eingebüßt hat.
Als am 27. Juni 1995 angeregt wurde, die Ausstellung „Herbst 89 - demokratische Bewegung“ als Projekt von „Erinnern für die Zukunft“ nach Bremen zu holen, wurde dieser Vorschlag mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Ein politisch korrekter Vertreter des Bildungswerks evangelischer Kirchen im Lande Bremen erläuterte seine prinzipielle Ablehnung des Projektes mit der Begründung, „Erinnern für die Zukunft“ dürfe sich nur mit den Verbrechen der Nationalsozialisten befassen und überhaupt nicht mit den stalinistischen Verbrechen. Die anwesende Mehrheit schloß sich dieser Position an und untersagte jede Beteiligung von „Erinnern für die Zukunft“ am DDR-Projekt, das dann von anderen Veranstaltern im Januar 1996 mit großem Erfolg durchgeführt wurde.
Kein ideologisches Tabu der alten Bundesrepublik hatte länger Bestand als die hartnäckige Weigerung, die Terrorsysteme nationalsozialistischer und stalinistischer Herrschaft einer vergleichenden Analyse zu unterziehen. Hinter der mehrheitlichen Wagenburg von „Erinnern für die Zukunft“, so scheint es mir, verteidigt die konservative Linke Bremens, stets äußerst selektiv in der Wahrnehmung, nur sich selbst. Daher muß Antifaschismus auch heute noch vor dem Antitotalitarismus rangieren, als hätte es bedeutende Köpfe von europäischem Format wie Arthur Koestler, Hannah Arendt, Raymond Aron, Hans Sahl, Jorge Semprun oder Francois Furet nie gegeben.
„Die Sünde der meisten Linken seit 1933 ist, daß sie antifaschistisch sein wollten, ohne antitotalitär zu sein.“ George Orwells bestürzende Diagnose aus dem Jahr 1944 gilt für „Erinnern für die Zukunft“ auch heute noch.
Martin Rooney
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