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Gericht verbietet Hyperlinks

■ Auf den Shetlandinseln bedroht eine Zeitung, die nur online erscheint, das Meinungsmonopol des lokalen Medienfürsten

Als Robert Wishert, Herausgeber der Shetland Times, eines Abends durch die Internetpages der Shetland News browste, mochte er kaum seinen Augen trauen. Denn er sah seine eigenen Überschriften auf der Nachrichtenseite des Konkurrenzblattes, das auf diese Weise Links zur Internetausgabe seines eigenen Blattes anbot. Fassungslos griff Robert Wishert in die Tasten und sandte ein Fax an den Herausgeber der Shetland News, Jonathan Wills: Er möge doch bitte diese Mißachtung des Copyrights umgehend unterlassen, da er sonst mit gerichtlichen Schritten zu rechnen habe.

Wills, einst Chefredakteur der Shetland Times und vor sechs Jahren von Wishert gefeuert, konnte sich kaum von seinem Lachanfall erholen. Sein Computerabend war gerettet, Wills schrieb sich in Hochstimmung. Das Ergebnis war ein Brief an Robert Wishert, dessen Kernsatz den Rat enthält, sich doch nicht wie ein „silly-billy“ aufzuführen.

Der Feldzug war eröffnet. Wer läßt sich schon gern als Kindskopf bezeichnen, zumal der Brief dann auch noch in voller Länge auf den Webseiten der Shetland News zu lesen war? Wishert zog tatsächlich vor Gericht. Ende Oktober erließ das Court of Session, Schottlands oberstes Zivilgericht, eine einstweilige Verfügung gegen Wills. Bis auf weiteres sind die Links seiner Shetland News zur Shetland Times untersagt.

Eine Absurdität? Eine Inselposse oder das kindische Zanken zweier erwachsener Männer? Kopschütteln überall. Lag der Sinn des Internets nicht darin, möglichst viele Leute und möglichst viele Dokumente miteinander zu verbinden, mit Hyperlinks zum Beispiel?

Nicht so auf den Shetlandinseln. Hier, im stürmischen Nordatlantik, gelten andere Regeln. Die Shetland Times Limited, deren Eigentümer Robert Wishert ist, beherrscht mit einer Auflage von über 11.000 Exemplaren den Printmedienmarkt für die 23.000 Inselbewohner nahezu unbeschränkt. Bei Wishert erscheint zudem auch noch das Kampfblatt der heimischen Fischereiindustrie, The Shetland Fishing News, und ein Monatsmagzin mit Leichtverdaulichem.

Konkurrenz gegen das Meinungsmonopol kam erst im November des letzten Jahres auf, nämlich online, von einer Seite also, an die Wishert noch nie gedacht hatte. Am 23. November 1995 startete die Shetland News (http://www.shetland-news.co.uk), damals die einzige lokale Tageszeitung Großbritanniens, die ausschließlich im Internet publiziert. Journalist Jonathan Wills und Fotograf Graeme Storey, beide ehemals angestellt bei der Shetland Times, hatten damit eine Idee geboren, die sich als äußerst erfolgreich erwies. Bis zu ihrem einjährigen Geburtstag in wenigen Tagen wird die „News“ zwei Millionen Hits verzeichnet haben. Wills und Storey behaupten, täglich etwa 6.000 Leser mit Nachrichten aus dem hohen Norden zu versorgen.

Im Februar dieses Jahres zog die Shetland Times mit einer Internetausgabe nach (http:// www.shetland-times.co.uk) und begann – obwohl sie eine Wochenzeitung ist – im Sommer mit der täglichen Aktualisierung der Internetseiten. Ein Schachzug, der bei der Shetland News zunächst Panik auslöste, dann aber mit dem Anbieten von Links zur Shetland Times netzkonform pariert wurde.

Für Jonathan Wills steht fest: „Der will uns finanziell fertigmachen.“ Einen langwierigen Rechtsstreit um den freien Zugang zu Informationen im Internet einerseits und das Copyright von online publizierten Texten andererseits kann sich das junge Unternehmen nicht leisten. Wenn da nicht die britische Journalistengewerkschaft in die Bresche gesprungen wäre: Rechtsanwälte der National Union of Journalists (NUJ) werden die Shetland News in der gerichtlichen Anhörung vertreten. Mit einer Entscheidung ist vor Jahresfrist nicht zu rechnen. Hans-Jürgen Marter

hans.marter@zetnet.co.uk

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