piwik no script img

Jugendfresken im Partykeller

■ Promis: Die Herren W. Petersen und D. Hoffman präsentierten ihren neuen Film in Hamburg

Der besondere Blick auf den normalen Menschen hat allerorten in Jahrzehnten eine gewisse Starkultur heranreifen lassen, von der man in Hamburg bislang nur in der Zeitung las. Passend zum drögen Pragmatismus der Stadt sind die prominentesten Leute hier Nachrichtensprecher und -sprecherinnen. Aber weil Wolfgang Petersen kürzlich im Streits seinen Virologen-Thriller Outbreak – Lautlose Killer im Beisein von Dustin Hoffman und Donald Sutherland präsentierte, lag zumindest am vergangenen Dienstag ein zarter Schimmer über der Stadt. Immerhin ist Petersen in Hamburg aufgewachsen, genau genommen in einer Scheibe Reihenhaus in Bramfeld. Dessen jetzige Bewohnerin ist heute noch böse auf ihren Mann, weil er Petersens Jugendfresken im Partykeller, die Chris Barber Band und andere, übermalt hat. O-Ton aus Bramfeld: „Das wäre heute ein Vermögen wert“ – aber das nur am Rande.

1981 hatte Petersen Das Boot dirigiert – heute ist er in Hollywood ein Star. Das ist im Zweifelsfall derjenige, mit dem alle Geschäfte machen möchten. Insgesamt aber eher ein „normaler Mensch“, wie Dustin Hoffman der taz mitteilte, „der letztlich wie die gesamte Menschheit nur zehn Prozent seines Hirnes nutzt.“ Immer ist der Star aber prominent. Wobei man nach den unzähligen Interviews, Fotos, Handshakes und Pressekonferenzen am Dienstag den Eindruck hatte, daß sich bei einigen Mitmenschen ab einem gewissen Prominenz-Volumen auch das letzte Zehntel Hirn noch verabschiedet.

Das nennt man dann gute Unterhaltung, wahlweise auch einen glanzvollen Abend. Wenn etwas Sternenstaub aus dem amerikanischen Wunderland auf den dunkelblauen Anzug fällt, dann tritt auch der durchschnittliche Hanseat samt Hanseatin ganz gerne mal weg. Teile der eher konservativen Presse machten nachdenklich, als sie sich weigerten, im Hotel Vier Jahreszeiten gradeaus in den Saal der Pressekonferenz durchzugehen, weil sie gehört hätten, man solle sich links halten. Auch die Bemerkung der Kollegin vom Boulevard, „hoffentlich ist Hoffman noch nicht so ausgeleiert“, ist es wert, erinnert zu werden, weil sie so unnachahmlich das Verhältnis von Anspannung und einer gewissen Ernüchterung ausdrückt. Und nach und nach lernte eine Betrachterin dann, die zum Star-Auftrieb Erschienenen zu unterscheiden. In der Regel waren die mit den zusammengefallenen Frisuren noch nicht ganz so lange da, wie die mit den roten Gesichtern.

Währenddessen saß Hoffman bequem auf dem Sofa in seiner Suite und gab den gutgelaunten Kommunikator. Da wußte man dann plötzlich, was einen Star ausmacht: Ein Star hat Zeit und vor allem kein rotes Gesicht. Er kann behaupten, er sei wie du und ich, „denn nicht mal Schwarzenegger sieht aus wie Schwarzenegger, wir leben in einer Cartoon-Kultur.“ Und er kann hinzufügen: „Die Menschheit hat die moralische Kapazität einer Fliege.“ Wenn der Star Wolfgang Petersen heißt, kann er erzählen: „Gestern war ich erst einmal auf der Reeperbahn. Da gab es früher immer so ein leckeres Schaschlik in einem sehr schlechten Fett, aber unglücklicherweise war das Fett diesmal gar nicht so schlecht“, und man könnte weinen – der arme Mann.

So ist das mit den Stars. Das Merkwürdige ist, die, die es wirklich sind, fühlen sich quasi unschuldig zum Starsein verurteilt. Immer mit der richtigen Bemerkung auf den Lippen saß Dustin Hoffman bei der Premiere absichtsvoll in der zwölften Reihe, ganz Familienvater und Hobby-Hanseat. Da mußte eine Frage an den 57jährigen einfach lauten: „Gibt es noch etwas, dem sie vertrauen?“ Dazu Hoffman: „Nein, eigentlich nicht.“ Das Schlußwort sprach Wolfgang Petersen, der mit seinem Film engagiert Zivilisations- und vor allem Militärkritik übt: „Wir wollen uns nichts vormachen“, meinte er beim Interview, „mein Film wird die Welt nicht verändern.“ Angesichts des milden Wahnsinns, der die Hansestadt dank der Outbreak-Premiere durchpustete, angesichts der etwas überstürzten Krankmeldungen und dem frühlingshaften Schneesturm am Mittwoch kann der Wunsch nur heißen: Hamburg hoffentlich schon.

Christa Thelen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen