piwik no script img

Musizierlust statt Langeweile

■ Mikhail Pletnjev und die Deutsche Kammerphilharmonie

Der Pianist und Dirigent Mikhail Pletnjev arbeitet gern mit der Deutschen Kammerphilharmonie. Es gibt schließlich nicht viele Orchester, die so exzellent eingespielt sind, daß ein Dirigent sie vom Klavier aus leiten kann. Am Montagabend in der Musikhalle hatte sich das junge Ensemble so um den offenen Flügel gruppiert, daß alle das Klavier gut hören, den Pianisten gut sehen konnten.

Die Dialoge zwischen Solist und Orchestergruppen in Mozarts d-moll Klavierkonzert gelangen jedenfalls perfekt. Pletnjev strich den stürmisch romantischen Zuschnitt des Stückes hervor, das don-giovannihaft Finstere, ohne es auszureizen. Seine Art, mit der Rechten über die Tasten zu wirbeln, während die Linke dem Orchester Einsätze gibt, ist spektakulär, wie ein Taschenspieler macht er das und zugleich ein bißchen streberhaft.

Anschließend Haydns D-Dur Klavierkonzert, stabilvergnügter Kontrast zu Mozarts Eruptionen. Auch hier brillierte Pletnjev besonders in den Kadenzen; seine Sforzati, Kontraste, Licht- und Farbwechsel überraschen, alles ist bis zur Lässigkeit perfekt, schlüssig, unaufgesetzt.

Dreißig Musiker sind ein kleines Orchester. Aber auch die wollen koordiniert sein in einer nicht eben simplen Partitur wie Mendelssohns 8. Streichersinfonie, für Kammerorchester eingerichtet vom Komponisten. Besonders wenn man, wie die Deutsche Kammerphilharmonie nach der Pause, auf einen Dirigenten verzichtet. Da musizierte die Zukunft der Klassikpräsentation. Fortgeblasen die ausgewogene Langeweile, gestrichen das Beunruhigungsverbot gängiger Sinfonieorchester. Musizierlust stattdessen, Affekt und Können als echtes Fortissimo oder auch wirkliche Zartheit, wie im kammermusikalisch durchsichtigen Adagio mit nur Celli, Violen, Holzbläsern und Hörnern. Am Ende standen alle auf, wandten sich dem begeisterten Publikum zu und verbeugten sich: Ein Orchester aus lauter Solisten.

Stefan Siegert

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen