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Senat vergeigt Schönberg-Archiv

■ Nachlaß des Komponisten nach Wien verschnitzelt. Opposition: Untätigkeit der Verwaltung und Streit um Neubau der Akademie als Ursache für Absage. Kultursenator Radunski gratuliert der Stadt Wien

Das Schönberg-Archiv kommt nicht nach Berlin. Die Erben des Komponisten haben gestern dem Senat und der Akademie der Künste mitgeteilt, daß sie den Nachlaß ihres Vaters Arnold Schönberg seiner Geburtsstadt Wien überlassen. Nach monatelangem Tauziehen um die Gestaltung des Neubaus der Akademie der Künste am Pariser Platz – in dem das Archiv untergebracht werden sollte – und um die Zusatzkosten für das Archiv ist Berlin und ist der Akademieneubau schon vor Baubeginn um eine bedeutende Sammlung ärmer. Noch vor wenigen Wochen hatte Senatssprecher Michael-Andreas Butz versichert, es gebe eine Zusage von den Erben für die Übersiedlung des Nachlasses. Butz erklärte dazu gestern: „Wir sind bis an die Grenze des Machbaren gegangen.“

Der SPD-Abgeordnete Nikolaus Sander warf dem Senat dagegen vor, mit seiner Untätigkeit die Verlegung nach Wien verschuldet zu haben. „Bausenator Klemann hat es mit seiner unerträglichen Behinderung des Neubaus der Akademie nach dem Entwurf von Günter Behnisch geschafft, die für Berlin betrübliche Entscheidung mit zu provozieren.“ Auch die kulturpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Alice Ströver, nannte das „Hin- und Her um den Neubau der Akademie“ als Grund dafür, „daß die Erben kein Vertrauen mehr in diesen Senat haben“.

Die Bauverwaltung wies indes die Vorwürfe zurück. „Den schwarzen Peter lassen wir uns nicht zuschieben“, sagte die Sprecherin der Bauverwaltung, Petra Reetz. „Bei einem so außergewöhnlichen Bau war doch klar, daß es umfangreiche Diskussionen würde geben müssen.“ Axel Wallrabenstein, Kultursprecher von Kultursenator Peter Radunski (CDU) sah gestern ebenfalls kein Versagen beim Senat. „Die Erben sehen das auch nicht so“, sagte er zu den Vorwürfen. In einer Pressemitteilung zeigte sich Radunski denn auch gelassen und schickte einen „Glückwunsch an Wien“. Auch die Akademie der Künste nimmt den Senat in Schutz: Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Kultursenator Radunski hätten sich sehr für das Archiv engagiert, sagte der Sprecher der Akademie der Künste, Hans Gerhard Hannesen. „Aber die schwierige Debatte um den Neubau hat einen großen Unsicherheitsfaktor für die Erben bedeutet.“ Bausenator Klemann hatte Behnisch kritisiert, weil dieser statt der von Klemann gewünschten Stuckverzierung einen modernen, gläsernen Entwurf vorgelegt hatte.

Das Archiv – Manuskripte, Briefwechsel mit Freunden und Kollegen im geschätzten Wert von 75 Millionen Mark – wird nun im „Palais Fanto“, einem Jahrhundertwendebau im Zentrum Wiens, unterkommen. Die Finanzierung, das bestätigte Jürgen Meindl, Mitarbeiter in der Wiener Kulturverwaltung, ist durch die Kulturverwaltung, das österreichische Wissenschaftsministerium und private Sponsoren bereits gesichert. Barbara Junge

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