■ Querspalte: Greenspan statt Krause
Hey, Kleinaktionär, wie geht's? Den Freitag-Schock an der Börse gut überstanden? Noch ein bißchen grün im Gesicht! Keine Panik, das wird wieder. Die Emanzipation vom Bausparvertrag ist eben nicht umsonst zu haben. Sie hatten die Wahl: Entweder 2,8 Prozent Jahreszins bei der Raiffeisenbank Niederholzhausen und den Jahresabreißkalender gratis – oder mit Manfred Krug und Ron Sommer raus in den Sturm der internationalen Finanzmärkte. Dollar rauf, Dollar runter, was macht der Nikkei, Hongkong notiert schwach, Gold steigt, der Bund Future geht in die Knie. Und Sie als Börsen-Bollwerk mittenmang mit Ihrem brandneuen Telekom-Paket. Unerschütterlich halten Sie Ihre 150 Aktien. Chapeau! Das ist nichts für Leute mit Herzschrittmacher, das ist Ihre neue Welt, der entscheidende Sprung in die vollwertige Existenz jenseits festverzinslicher Kommunalobligationen. Telekom statt Wüstenrot, Puts and Calls statt Sparbuch. Alan Greenspan statt Filialleiter Krause.
Also erstens: Nerven bewahren! Wer ein abgezockter Broker werden will, darf sich wegen der ersten Turbulenz an der Wallstreet nicht gleich in die Hose machen. Gut, das war am schwarzen Freitag der größte Kurssturz in Frankfurt seit fünf Jahren, und der Dax bekam vier Prozent auf die Mütze. Aber im nachbörslichen Ibis-Handel war doch schon wieder Bullenwetter, ging's steil nach oben. Wer jetzt verkauft, ist ein Börsenbeamter ohne Standing.
Zweitens, ganz wichtig: Wenn New York hustet, kriegt Frankfurt die Lungenentzündung. Die Finanzmärkte sind engstens verwoben. Sie sind mit Ihrem Aktienpaket unerbittlich eingebunden in die asiatisch-amerikanischen Geldströme. Global total! Ergo: Schluß mit Sportteil, Boris und wie haben die Bayern gespielt. Abonnieren Sie die FAZ, studieren Sie den Weltmarkt, gehen Sie mit Umlaufrendite und Leitzins auf du und du. Lernen Sie Chart-Technik und Chaostheorie. Oder wollen Sie ewig die Plastiksparbüchse am Weltspartag schlachten? Manfred Kriener
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen