: Betr.: Strommärkte
Ziel der stufenweisen Öffnung der nationalen Strommärkte, auf die sich die EU-Minister im Juni dieses Jahres geeinigt haben, ist es, durch freien Wettbewerb und Konkurrenzdruck die Strompreise zu senken.
Ab Anfang 1999 sollen zunächst Großkunden mit einem jährlichen Energieverbrauch von 40 Gigawattstunden (=Millionen Kilowattstunden) die Möglichkeit erhalten, ihren Stromlieferanten frei wählen zu können. Damit wären etwa 22 Prozent des europäischen Strommarktes in den Wettbewerb entlassen. Bis zum Jahr 2003 soll der Schwellenwert auf neun Gigawatt sinken. Eine entsprechende Richtlinie tritt im Januar 1997 in Kraft, die EU-Staaten müssen sie dann in zwei Jahren ihrem nationalen Recht anpassen. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) will dabei weit über die EU-Richtlinie hinausgehen: Schon im nächsten Jahr sollen in Deutschland möglichst viele Stromkunden zum Wettbewerb zugelassen werden. Das Bundeskabinett hat bereits im Oktober dem Entwurf zum neuen Energiewirtschaftsgesetz zugestimmt. Aber weil viele Bundesländer einer sofortigen Marktöffnung kritisch gegenüberstehen, wurde der Entwurf am Donnerstag im Bundesrat vorerst abgelehnt. Nun muß die Gesetzesvorlage überarbeitet werden. Eine Liberalisierung des Strommarktes bedeutet, daß die lokalen Energiegroßversorger Konkurrenz aus dem gesamten Bundesgebiet und aus der Europäischen Union bekommen werden. Es können eigene Leitungen und Kraftwerke in Deutschland gebaut oder vorhandene Netze nach Absprache mit den Betreibern kostenpflichtig mitbenutzt werden. Der tatsächliche internationale Stromfluß würde dann ähnlich einem Geldtransfer ablaufen – Elektronen werden in deutsche Leitungen eingespeist und schaffen einen Überschuß, der durch die Entnahme anderer Elektronen durch den Verbraucher wieder abgebaut wird.
Die IG Bergbau-Energie befürchtet, daß durch Stromimporte heimische Energieträger wie Braun- und Steinkohle in den Hintergrund gedrängt und Arbeitsplätze gefährdet werden. Auch die Stromwirtschaft steht dem Wettbewerb mit gemischten Gefühlen gegenüber. Man vermutet, daß besonders der staatliche französische Energieriese EDF billigen Atomstrom in Deutschland anbieten werde, ohne den französischen Markt im gleichen Maße zu öffnen.
Die Bundesregierung verweist deshalb auf entsprechende Schutzklauseln, die verhindern sollen, daß es einen „Einbahnstraßenwettbewerb“ zu Lasten deutscher Stromerzeuger gibt. anka
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