: Hochfliegende Pläne gestoppt
■ Wegen des Flughafenausbaus Schönefeld müssen umliegende Gemeinden ihre Bauprojekte zwei Jahre auf Eis legen. Gemeinden fordern Entschädigung
Sämtliche Bauvorhaben rund um Schönefeld müssen jahrelang auf Eis gelegt werden: Der Landesentwicklungsplan zur Standortsicherung Flughafen (LEP-SF), der am Wochenende von Brandenburgs Umweltstaatssekretär Rainer Speer vorgestellt wurde, wird die Zukunft aller Gemeinden im Umkreis des zukünftigen „Single- Großflughafens“ Schönefeld bestimmen.
„Im Moment“, sagt Joachim Wolff, Bürgermeister der Gemeinde Schönefeld, „ist das eine Katastrophe.“ Gerade die Gemeinde Schönefeld, die aus dem Flughafen mehr Vor- als Nachteile zu ziehen hoffte und hochfliegende Wohnungs- und Gewerbebaupläne hatte, „muß nun für zwei Jahre die Füße stillhalten“ – längerfristige Planungsuntersagungen sind laut Wolff im Berlin-Brandenburger Planungsvertrag nicht vorgesehen.
„Immerhin sollte sich unsere Gemeinde bis zum Jahr 2010 auf 20.000 Einwohner verzehnfachen“, sagt Wolff; der Bau eines kompletten neuen Gemeindezentrums mit Rathaus und Schule und allem Drum und Dran müsse nun gestoppt werden. Ein geplantes Büro- und Gewerbegebiet – Wolff redet von 24.000 vorgesehenen Arbeitsplätzen – befindet sich nun auf der Vorbehaltsfläche des Flughafens. „Wir werden nun geltend machen, was das alles kostet“ und die Flughafengesellschafter – Bund, Berlin und Brandenburg – für die fehlinvestierten Planungskosten zur Kasse bitten, sagt Wolff. „Einen zweistelligen Millionenbetrag“ würden allein Schönefeld und seine Investoren zurückfordern.
Drei Zonen sieht der Entwicklungsplan vor: Wo die Lärmbelastung über 67 Dezibel liegt, soll in Zukunft überhaupt nichts mehr gebaut werden, wo die EinwohnerInnen 62 bis 67 Dezibel ausgesetzt werden, bekommen die Gemeinden Auflagen, in einer dritten Zone schließlich darf eine bestimmte Bauhöhe nicht überschritten werden. Zwar beginnt im Februar erst das Beteiligungsverfahren, in dem die betroffenen Gemeinden Einwände gegen den Plan vorbringen können. Doch dieser hat, so stellte auch Umweltstaatssekretär Speer gestern heraus, bereits jetzt rechtlich relevante und steuernde Wirkung.
Die 370köpfige Gemeinde Diepensee wird voraussichtlich ganz umgesiedelt werden. Wohin die Reise geht, kann Bürgermeister Michael Pilz heute noch nicht sagen: „Wir werden auf jeden Fall zusammenbleiben.“ Eine Umsiedlungs-Arbeitsgruppe am Ort, in die selbstredend alle Teile der Bevölkerung mit einbezogen würden, beschäftige sich noch mit Konzepten, die sich an den Umzug des Lausitzer „Musterdorfs“ Kausche orientiere.
Obwohl die DiepenseerInnen natürlich immer noch sowohl gegen den Flughafen-Ausbau und gegen die Umsiedlung seien, sei man nun doch recht froh, daß „endlich eine Entscheidung gefallen ist“, so Pilz: „Noch einmal fünf Jahre zu warten, wäre unerträglich gewesen.“
Monika Meier, Beauftragte der Schutzgemeinschaft „Umlandgemeinden Flughafen Schönefeld“, die aus der Bürgermeisterinitiative gegen den Flughafen Schönefeld hervorgegangen ist, tobt: „Eine undemokratische Verfahrensweise“ sei es, den Entwicklungsplan auf den Tisch zu donnern und alle Argumente gegen den Flughafenausbau, die in den Jahren des sogenannten Bürgerdialogs genannt worden seien, einfach wegzufegen. „Nicht nur wird der Wohnungsbau gestoppt, auch die hier Ansässigen haben offenbar zu akzeptieren, daß das Leben in ihren Wohnungen aufgrund des Lärms nicht mehr lebenswert sein wird.“
Die Plattform, zu der sich die Gemeinden rund um Schönefeld, die Bürgerinitiativen, der „Eigenheimerverband“ und der Mieterschutzbund kürzlich zusammengeschlossen haben, wird weiterhin auf den Rechtsweg setzen. Drei Klagen gegen den Flughafenbetrieb und den Nachtflug sind bereits anhängig. Ulrike Winkelmann
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