■ Press-Schlag: Olympiaträume eines Nationalisten
Die Landesfahne Senyera hoch erhoben, geht Kataloniens Ministerpräsident Jordi Pujol den Sportlern seiner kleinen Mittelmeernation entschlossen voran. Nach Olympia will er das rotgelb gestreifte Tuch tragen. Dort soll es dann wehen, mitten unter den Farben der anderen Nationen und vor allem neben der spanischen Flagge – unabhängig, frei. Und wenn dann einer der Seinen auf das Treppchen steigt, ganz hoch, und der „Cant de la Senyera“ – die katalanische Hymne – erklingt, dann wird er, Pujol, der Landesvater, der dies alles vollbracht hat, gütig von der Tribüne herabblicken, nachdem er noch schnell, den Tränen nahe, einen kurzen, schadenfrohen Blick hinüber zu Spaniens König Juan Carlos riskiert hat.
Süße Träume eines Nationalisten. Doch dann kamen die Richter und machten alles zunichte. Nein, nicht etwa die Wächter über Recht und Gerechtigkeit im Herzen des verhaßten Reiches, im fernen Madrid, sondern das höchste Tribunal der Nation, das Katalanische Oberlandesgericht. Nur der Zentralregierung stehe das Recht auf eine Vertretung im Internationalen Olympischen Komitee und in der FIFA zu, lautet jetzt das Urteil.
... und Ronaldo wird flugs Katalane Foto: Reuter
Doch was ein echter Sportler ist, der kann auch mal einstecken, nur aufgeben, nein, aufgeben tut er niemals. Dann müssen eben die Gesetze geändert werden. Mit Unterschriftensammlungen und Veranstaltungen wird die Begeisterung der nationalistischen Sportsfreunde mobilisiert, ob jung ob alt, ob rechts ob links, keiner darf fehlen, es geht ums Vaterland. Das Regionalparlament wird sich des Themas annehmen, das Katalanische Olympische Komitee existiert bereits. Höher, weiter, schneller.
Pujol hat längst nicht ausgeträumt: Eine eigene Fußballnationalmannschaft. Vielleicht Ronaldo noch schnell zum Katalanen erklären? Europameisterschaften, Weltmeisterschaften. Vielleicht eine eigene Liga? Und Pujol immer auf der Tribüne, Senyera in der Hand.
Möglicherweise klappt es ja sogar beim Tennis: Gold für Arantxa Sanchez-Vicario. Aber halt, was ist das? So geht doch nicht der „Cant de la Senyera“. „Tochter des Reiches von Karl dem Großen ...“ ertönt es in gepflegtem Katalanisch – die Hymne Andorras, wo der Tennisstar seit Jahren wohnt und Steuern spart. Reiner Wandler
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