: Pyrrhussieg der Bundesregierung
■ betr.: „Rühes Eurofighter soll ab heben“, taz vom 11./12. 1. 97
Der Vorwurf des Skandals wird in der politischen Landschaft Deutschlands oftmals voreilig erhoben. Diesmal aber ist es angebracht, das Sozialverbände, Gewerkschaften, Kirchen, Oppositionsparteien und Friedensbewegung gleichermaßen aus ihrer Apathie erwachen. Denn das Schauspiel, das in diesen Tagen auf der Bonner Bühne inszeniert wird, trägt alle Züge eines der größten Skandale in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Auf der einen Seite werden soziale Errungenschaften mit einer Rasanz abgebaut, die Arbeitslosen, Erziehenden, Kranken oder Rentnern schlichtweg den Atem verschlägt. Auf der anderen Seite wird mit fadenscheinigen Argumenten milliardenfach Geld für ein Rüstungsprojekt verschleudert, das als klassisches Symbol für das Denken in den Kategorien des Kalten Krieges gilt. Der Eurofighter 2000/Jäger 90 wurde entwickelt, um die vermeintlich angreifenden MiG 29-Maschinen der Sowjetunion mit Luft-Luft-Raketen abzufangen. Doch mittlerweile ist der Warschauer Pakt aufgelöst, Deutschland vereinigt, der Feind fehlt und die MiG 29 befindet sich im Besitz der Bundeswehr.
Der „Jäger 90 ist tot“ hatte Volker Rühe 1992 selbstbewußt verkündet und dabei die Macht des größten deutschen Rüstungskonzerns unterschätzt. De facto diktiert die Münchener Waffenschmiede Daimler-Benz Aerospace (Dasa) den Politikern der Hardthöhe ihre Beschaffungswünsche. Aus dem „toten“ Jäger ist der „abhebende“ Eurofighter geworden. Dabei gerät nur allzu leicht in Vergessenheit, daß das Hauptargument gegen den Jäger 90 auch die absurden Kosten in Höhe von rund 100 Millionen Mark pro Stück waren. Der Systempreis des Nachfolgemodells Eurofighter wird sich nunmehr auf rund 130 Millionen Mark belaufen, wobei die 20 Millionen Mark für die Bewaffnung und die in der militärischen Luftfahrtindustrie überdimensionierten Preissteigerungsraten noch gar nicht einberechnet sind. Wer heute von Gesamtkosten in Höhe von unter 25 Milliarden Mark spricht, täuscht die Bundesbürger – und das wissentlich.
Zum einen geht es um rund 12.000 Arbeitsplätze in Süddeutschland. Mit demselben Finanzvolumen ließen sich mehr als doppelt so viele sinnvolle Arbeitsplätze schaffen. Doch der Finanzminister wohnt in Bayern, neben Baden-Württembergs Produktionszentrum der 180 Jagd- und Kampfbomber. Zum anderen benötigt die Bundeswehr für ihre kommenden Out-of-Area-Einsätze eine neue Generation von High-Tech-Waffen. Dem Verteidigungsausschuß liegen Unterlagen vor, wonach der Jagdbomber in „unterschiedlichsten geographischen Einsatzzonen“ zur „hochpräzisen und selektiven Bekämpfung von Punktzielen“ eingesetzt werden soll.
Tatsächlich soll „Rühes Eurofighter abheben“, doch in der Konsequenz ist eines klar: Wenn der Eurofighter in Serie gefertigt wird, stellt der Flug des teuersten europäischen Waffensystems aller Zeiten einen Pyrrhussieg der Regierungskoalition dar. Denn wer nach der namentlichen Eurofighter-Abstimmung im Deutschen Bundestag auf die Dummheit der Wählerinnen und Wähler setzt, der täuscht sich gewaltig. Jürgen Grässlin, Sprecher des
Dachverbands der Kritischen
AktionärInnen Daimler-Benz,
Freiburg
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