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Die Idylle herrscht nur auf dem Papier

■ Kunsthalle erhielt vier Zeichnungen zurück / Hoffnung auf Rückführung der gesamten Beutekunst schwindet

Romantisch wachsen die Laubbäume in den wolkenverhangenen Himmel. Ruhig scheint der Fluß in der Bildmitte dahinzuströmen. „Elblandschaft“. Eine Idylle – auf dem Papier. Denn die Idylle ist bloß ein Kunstwerk, sein Schicksal aber eine Odyssee: Christian Morgensterns in der Mitte des vorigen Jahrhunderts entstandene Zeichnung gehörte zu den mehr als 3.000 ausgelagerten Kunstwerken aus dem Besitz der Bremer Kunsthalle, die nach dem zweiten Weltkrieg von der Roten Armee konfisziert oder geplündert wurden. Morgensterns „Elblandschaft“ gelangte nach Angaben des Bremer Osteuropa-Experten und Diplomaten in Sachen Beutekunst, Wolfgang Eichwede, vermutlich in die Ukraine und dann nach Rußland. Anfang Dezember vergangenen Jahres war die Odyssee zu Ende: Zusammen mit drei weiteren Zeichnungen fand Eichwede das 15 mal 20 Zentimeter kleine Blatt in seinem Briefkasten.

„Der Absender wollte eine kleine Hommage an Bremen leisten“, erklärte Eichwede, als er die Zeichnungen gestern der Kunsthalle zurückgab. „Er wollte den Poker um die Beutekunst nicht mitmachen.“ Dennoch hat er die vier Blätter nicht direkt verschickt, sondern über einen Mittelsmann in Prag nach Bremen senden lassen, um die Herkunft zu verschleiern.

Die Gutwilligen verstecken sich, die Andersdenkenden votieren offen: Erst am Mittwoch dieser Woche hatte das Parlament der russischen Föderation, die Duma, ein Gesetz verabschiedet, das die Beutekunst in Staatseigentum verwandelt. Wie Eichwede nach der Lektüre des Gesetzestextes gestern erklärte, wird in diesem Entwurf im Gegensatz zu früheren Duma-Entscheidungen kein Unterschied mehr zwischen offiziell konfiszierter und „durch Plünderung geretteter“ Kunst gemacht. Auch die rund 350 Blätter umfassende „Baldin-Sammlung“ des am 4. Januar verstorbenen Ex-Rotarmisten Viktor Baldin, deren Rückgabe bis vor kurzem als sehr wahrscheinlich galt, wäre demnach russisches Eigentum. Nur noch kirchliche Einrichtungen und jene private Alt-Eigentümer, die eine anti-nazistische Aktivität nachweisen könnten, hätten demnach Hoffnung auf direkte Rückgabe. Für den indirekten Weg ist eine Klausel für den Tausch von russischer Beutekunst in Deutschland vorgesehen. Mit Ausnahme von zwei Sammlungen historischer Bücher seien die Reaktionen auf Rückgabe-Vorschläge in west-östlicher Richtung bislang sehr zurückhaltend gewesen.

Bevor das neue Gesetz in Kraft treten kann, muß noch der Föderationsrat zustimmen. Ein ähnlicher Anlauf war im Sommer 1996 „dank intensiver diplomatischer Bemühungen der deutschen Seite“ an der Ablehnung des Rates gescheitert: Die Präsidenten der Regionen und Republiken hätten Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern befürchtet. Trotz der „beträchtlichen negativen Wirkung des Gesetzes“ ist eine Zustimmung des Föderationsrates nach Eichwedes Angaben diesmal sehr viel wahrscheinlicher. Mit einer Entscheidung sei in vier bis sechs Wochen zu rechnen. Einen Hoffnungsschimmer entdeckt der Wissenschaftler gleichwohl: „Wenn man etwas zu Eigentum erklärt, heißt das nicht, daß man es für immer behalten will.“ Die „deutsche Seite“ müsse sich flexibel zeigen und „wird nicht nur Forderungen stellen können“. Bis auf weiteres gibt es idyllische Verhältnisse nur auf dem Papier. ck

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