: Wehrmacht kommt ins Rathaus
■ Bürgermeister Scherf sicherte Jan Philipp Reemtsma zu, daß die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ im Raushaus stattfinden / CDU-Chef Neumann: „Ein Affront“
„Das ist ein eklatanter Affront gegenüber der CDU“, schäumte CDU-Landesvorsitzender Bernd Neumann gestern nachmittag, „so geht es nicht“. Indirekt hatte Neumann auf dem Weg zu einem Richtfest im Technologiepark an der Universität davon erfahren, daß Bürgermeister Henning Scherf dem Hamburger Institut für Sozialforschung schriftlich zugesichert hatte, den bestehende Vertrag über den Ort für die koalitionsintern umstrittene Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ einzuhalten: die Untere Rathaushalle.
Am Samstag hatte Scherf bei einem persönlichen Gespräch in Hamburg mit dem Instituts-Chef Jan Philipp Reemtsma die Sache klargemacht. Nur eine Woche zuvor hatte der Bürgermeister in Bonn mit Neumann auch über dieses Thema geredet. Aber da hatte er dem CDU-Chef nur mitgeteilt, daß er Reemtsma im persönlichen Gespräch davon überzeugen wolle, doch noch an der geplanten Fachtagung zum Thema Verbrechen der Wehrmacht teilzunehmen. Die hatte Reemstma zuvor abgesagt. Neumann erklärte gestern, da sei Scherf mit ihm noch einig gewesen, daß erst nach der Tagung, im März oder April, „nach einer Lösung für den Ausstellungort gesucht werden“ sollte, „bei der beide Seiten das Gesicht wahren“ können.
Daß ohne sein Wissen am Samstag in Hamburg eine andere Entscheidung getroffen wurde, verärgert Neumann ungeheuer. „Herr Scherf hat damit einen Scherbenhaufen angerichtet“, erklärte er, das „belastet die Koalition“. Ihm, Neumann, gegenüber habe Scherf auch telefonisch versichert, er stehe zu der Verabredung mit dem Koalitionspartner. Gleichzeitig aber bestätige die Senatspressestelle die Verabredung mit Reemtsma. Das sei „ungeschickt“ oder eben „getrickst“. Wenn Scherf nicht zu dem Wort stehe, das er Neumann gegeben habe, dann sei das ein Thema für den Koalitionssausschuß.
Bürgermeister Scherf war in der vergangenen Woche unter Zugzwang geraten. Sollte die geplante Fachtagung am 26.2 stattfinden, dann müßten die endgültigen Einladungen raus. Ohne die Historiker vom Hamburger Institut, meinte Senatssprecher Sondergeld, mache aber eine Tagung über die Ausstellung und ihre Thesen wenig Sinn. Zudem mußte man davon ausgehen, daß nach Prof. Messerschmidt aus Freiburg auch die anerkannte wissenschaftliche Kapazität aus Berlin, Prof. Wolfgang Benz, seine Zusage zurückziehen würde, wenn die Hamburger nicht teilnehmen. Zu einem Streit über die Entscheidung um einen Ausstellungsort wollte auch der sich offenbar nicht instrumentalisieren lassen.
Was feststand, war allein das Interesse der Bundeswehr-Seite, an dem wissenschaftlichen Disput teilzunehmen. In einer Arbeitsgruppe „Armee im demokratischen Rechtsstaat“ unter der Leitung des pensionierten General Altenburg wollen die Militärs deutlich machen, daß es einen „Bruch in der Traditionslinie“ mit der Wehrmacht gebe. Gleichzeitig kritisieren die meisten Militärs jedoch die Thesen der Ausstellung und insistieren darauf, daß nur Teile der Wehrmacht in die Verbrechen der Nazis verstrickt waren und nicht die Wehrmacht insgesamt als Institution einen „Vernichtungskrieg“ führte. Die Bundeswehr hat allerdings als offizielle Argumentationshilfe für die Ausstellung intern ausgegeben, deren wissenschaftliche Aussagen nicht direkt zu besteiten, sondern mehr darauf zu verweisen, daß alles noch länger intensiv erforscht werden müsse.
Scherf hat, so versichert Senatssprecher Sondergeld, auch in dem Gespräch mit Reemtsma klargestellt, daß seiner Ansicht nach das Rathaus ein guter Ort für einen derartigen Disput sei. Reemtsma hatte darauf bestanden, daß Scherf schriftlich die vertraglich vereinbarten Ausstellungsort bestätigt. Als dies am Montag passierte, sagten die Hamburger Historiker vom Institut für Sozialforschung ihre Teilnahme an dem Symposium am 26.Februar zu, da diese Veranstaltung sich nunmmehr „ausschließlich der wissenschaftlichen Debatte widmen wird“.
Für die SPD-Fraktion hat Horst Isola (MdBBü) die „längst nötige Klarheit in den absurden Streit über einen Ausstellungsort“ begrüßt. Es gebe auch keinen Grund für eine Koalitionskrise, „zumal verbrecherische Handlungen innerhalb der Wehrmacht unstrittig sind“. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen