■ Harte Worte fallen heute anläßlich der Debattenwoche auf der Wahrheit. Unsere Experten streiten über den Buchstabenabbau beim Scrabble, Holzbuchstabenbänkchen und vor allem über die Frage, ob das ehrwürdige Brettspiel reformiert werden muß: Gehören die Scrabble-Regeln in den Orkus?
Scrabble sei ein Spiel für die reifere Jugend, belehrt mich eine Bekannte. Erst in den Zwanzigern, wenn das Schultrauma überwunden sei, werde Scrabble richtig schön. Recht hat sie. Je reifer und erfahrener ich werde, desto mehr wird Scrabblen zum Spaß. Von nutzlosen Regeln habe ich mich fast vollständig befreit. Die erste Regel, die in die Tonne gehört, ist das in neueren Spielauflagen eingeführte Scrabblen mit sieben statt acht Buchstaben. Der Buchstabenabbau soll, so heißt es, die Spielzeit verlängern. Bedeuten lange Spielzeiten an sich schon Vergnügen? Und wenn ja, ließen sich nicht Buchstabenmenge und Spielfeld vergrößern, damit die Worte „Meisterschaftsspiel“ oder „Plauderstündchen“ mit „Möchtegerncasanovas“ Platz finden können? So aber fällt selbst das Wort „Scrabble“ der Rationalisierung zum Opfer.
Auch die Bänkchen für die Buchstaben wurden gekürzt. Konnten dort früher, den Regeln zum Trotz, bis zu zehn Buchstaben aufgereiht werden, sind es jetzt nur noch neun. Will man Worte wie „Schnurrant“, „Krimskrams“ oder „Piesackerei“ legen, braucht es aber wenigstens zehn. Seit mein altes Spiel von Freunden stibitzt wurde, schlage ich mich mit der Reformausgabe herum. Ohne die Hilfe eines zweiten Bänkchens müßte ich mich nun auf neun Buchstaben beschränken.
Eine Wahl in der Bänkchenzahl ist meist nur beim Solitärscrabble möglich, wenn ich mich allein und regelfrei entfalten kann, ohne das Genöle eines Mitspielers. Handelt es sich bei ihm um einen Dudenvasallen, ist Mühsal gewiß. Wortneuschöpfungen wie „prömbeln“ (unmotiviertes Maulen, eine Chimäre aus prömmeln und pöbeln) sind ihm schwer zu vermitteln. Den Blick für unbekannte Freuden eröffnet ein Inspirator, ein Gegenspieler, der sich vom Regelwerk womöglich noch weiter befreit hat als man selbst. So kann ein „Mösenhustensaft“ heranreifen. Die Ästhetik dieses Wortes zeigt sich in dem schönen Buchstabenbalken, der eine ganze Spielfeldreihe belegt. Schmückt „Mösenhustensaft“ dabei noch einen äußeren Spielfeldrand (dreimal dreifacher Wortwert), dann wird der schöne Anblick auch gerecht entlohnt mit insgesamt 192 Punkten. Lukrativ im Vergleich zum dudenfesten „Papstkatalog“ wäre auch der „Papstprospekt“, wenn genügend Ps (Buchstabenwert 4) zur Verfügung stünden. Ja, stünden, denn der Buchstabensack gibt nur ein einziges P her. Nur mit Hilfe von regelwidrigen drei statt zwei Blankosteinen könnte ein „Papstprospekt“ gelegt werden. Ist das aber wahrscheinlich? Nicht, wenn man die Regel beachtet, die einen Austausch gelegter Blankosteine untersagt. Her mit mehr Blankosteinen, weg mit der Regel! Dem Spieler gehen schon allein durch die Blankosteine mindestens zwölf verdiente Punkte flöten.
Wieso aber strafen die Spielregelwarte „pimpern“, „plempern“, „poppen“ oder „päppeln“, „popeln“, „rappeln“ und „foppen“ mit Punktverlust? Sind es lust- und spaßfreie Buchhalter, die selbst bei Kindern mit „Mäppchen“ oder „Puppenstuben“ geizen?
Weitere Forschung tut not, um solche von Nörgelfritzen protegierten Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Experimente werden zur Zeit mit zwei, wahlweise auch vier Spielbrettern, Buchstabensäcken und einem Inspirator in warmen „Pampuschen“ durchgeführt. Claudia Aldenhoven
Die Ausfälle der gegnerischen Partei stellen in ihrer bornierten Geschwätzigkeit den widerwärtigen Versuch dar, das ehrwürdige Brettspiel „Scrabble“ endgültig in den Schmutz zu ziehen. Den mir nicht erst seit heute bekannten Bestrebungen der geschichtslosen Clique um das Flintenweib Dr. Aldenhoven, das klassische, in Generationen gewachsene Scrabble-Regelwerk auf dem Altar der Sittenlosigkeit zugunsten einer beliebigen und dummdreisten Fröhlichkeit zu schlachten, gehört ein Riegel, jawohl, ein Keuschheitsriegel vorgeschoben.
Nun höre ich schon das kichernde Plärren derer von und zu Aldenhoven, die sich für eine witzige Avantgarde, in ihrer heillosen Werteunordnung wahrscheinlich sogar für so etwas wie eine Spaßguerilla hält, die alles, was uns konservativen Scrabble-Liebhabern Herzenssache ist, verlacht und verhöhnt. Nein! Dieses Spiel darf nicht zum Selbstbedienungsladen ungezogener Früchtchen verkommen, die aus ihrem bedauernswerten Analphabetismus ein Programm machen wollen!
Scrabble ist langweilig! Jawohl! Und das soll es auch bleiben! Ich und mit mir die große, schweigende Mehrheit der anständigen Scrabble-Spieler will in Ruhe und Frieden einem puristischen Vergnügen frönen. Ja, wir wollen, und ich scheue mich nicht, dieses eherne Diktum wie ein Fanal durch diese Spalten zu schmettern, wir WOLLEN öde und stumpfsinnige Sonntagnachmittage in trauter Gemeinsamkeit versanden lassen! Und zwar in der abgedunkelten Ecke eines schlecht gelüfteten Wohnzimmers. An einem kleinen Tisch sitzend, auf dem lediglich folgende Gegenstände Platz haben: ein Scrabble-Brett, maximal vier, besser aber nur zwei Scrabble- Buchstabenbänkchen (Holz!), ein überquellender Aschenbecher, eine Thermoskanne mit morgens um 9 Uhr gebrühtem, bitteren Bohnenkaffee, maximal vier, besser aber nur zwei große, fleckige Tassen und eine trübe Funzel, die ein schwaches Licht auf das Brett wirft. Und dann wollen wir Wörter legen, für die wir unsere an öden und stumpfsinnigen Sonntagnachmittagen friedlich vor sich hindämernden Wortschätzchen nicht wecken müssen. Tu-Wörter wie „kaufen“, „fallen“ und „essen“, Tierwörter wie „Maus“, „Katze“ und „Tier“ und zusammengesetzte Hauptwörter wie „Katzenkaufen“, „Mausfallen“ und „Tieressen“.
Und keinesfalls wollen wir, wenn nach stundenlanger Qual die gesetzmäßig ungünstige Wörterverteilung auf dem Spielbrett kaum noch Kombinationen zuläßt, das Spiel schnöde beenden, indem wir die nicht gelegten Buchstabenwerte subtrahieren. Nein! Es wird durchgezogen, bis das letzte „Du“ in die Lücke geklemmt und das letzte „Ei“ gelegt ist.
Wer etwas anderes will, dem wünsche ich einen schlimmen Husten an ungünstiger Stelle und keine Apotheke, die ihm etwas dagegen verkauft! Fritz Eckenga
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