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Henker-Maskottchen

■ Schon seit Jahren sind den Verantwortlichen Verfehlungen von Polizeibeamten bekannt Von Kai von Appen

Immer neue Enthüllungen über rechtswidrige Verhaltensweisen von Hamburger PolizistInnen erschüttern derzeit die Öffentlichkeit. Dabei sind die menschenverachtenden Rechtsverstöße den Verantwortlichen seit über einem Jahrzehnt bekannt. So meldete die „Morgenpost“ gestern eine Affäre aus dem Jahre 1982. Verwickelt waren zum Teil schon die gleichen Akteure.

Kronzeuge ist der Polizeibeamte Giselher Behnken. „Vor allem in meiner Zeit bei der Bereitschaftspolizei bekam ich Kenntnis über erhebliche Rechtsverletzungen von Kollegen, die meist rassistische Hintergründe hatten.“ Die „ekelhafteste Schweinerei“ erlebte er im Bepo-Zug „FD 913“: „In allen drei Fahrzeugen waren hinter der Frontscheibe Henkerschlingen angebracht. Ich habe immer wieder erlebt, daß Kollegen damit Schwarzen oder anderen Ausländern drohten.“

Behnken beschwerte sich nach eigenen Angaben beim damaligen Zugführer Jörn Schmidt – „Hammer-Schmidt“ genannt – der ihm geantwortet habe: „Das sind unsere Maskottchen.“ Behnken informierte darauf auch den damaligen Vize-Bepo-Chef, Richard Peters, und den Landes-Chef der Gewerkschaft der Polizei, Manfred Bienert – beides auch Hauptakteure bei der Vertuschung der neuesten Skandal-Meldungen. Selbst Ex-Innensenator Hackmann – damals noch Staatsrat unter Alfons Pawelcyk – war von Behnken informiert worden. Es passierte nichts.

Erst nachdem ein Passant wegen der Henker-Utensilien Anzeige erstattet hatte und die allererste GAL-Bürgerschaftsfraktion parlamentarisch beim Innensenator angefragt hatte, verschwanden die Stricke. Der Senat bagatellisierte den Vorfall als „jugendliche Unbekümmertheit“. Behnken dazu: „Es mag ja sein, daß Herr Hackmann später nicht von der Polizeiführung informiert wurde. Aber er selbst wußte schon vor zehn Jahren davon.“ Erst gestern ordnete Hackmann-Nachfolger Hartmut Wrocklage, eine Untersuchung an.

Düstere Erfahrungen machte auch der Kritische Polizist Andreas Schellen, der 1990 über seine Erlebnisse im Kirchenallee-Revier in der taz berichtete. Schellen erinnert sich an eine Einsatzfahrt: „Auf dem Fußweg lag ein Schwerverletzter. Zwei Betrunkene hatten ihm mit einer Bierflasche auf den Kopf geschlagen. Ich klemmte dem Verletzten meine Dienstmütze unter den Kopf, nachdem er ohnmächtig auf das Straßenpflaster gefallen war....Die Beamten des Rettungswagens kamen und übernahmen ihn.“ Zurück auf der Wache hörte Schellen dann die Frage eines Kollegen: „War's wenigsten 'n Schwatter. Dann wärs ja nicht schade drum.“

Wochen später: „Ein Polizeihauptmeister zeigte den am Tisch sitzenden Kollegen Briefwahlunterlagen für die Bundestagswahl 1987. Es waren fünf Bögen und fünf Umschläge. Er zeigte die Kreuze, die alle in dem Kästchen der NPD standen. ,Hier, damit ihr wißt, was ihr zu wählen habt.“

Als Schellens Namen wenige Wochen später unter einer Hafenstraßen-Soli-Anzeige steht, wird der Text ausgehängt und sein Name wie auf einem Steckbrief mit dem Zusatz „RAF-Sympathisanten- Umfeld“ eingekreist. Am 13. Februar 1987 berichtet Schellen seinem Direktionschef Heinz Krappen (dem späteren Landespolizeidirektor) über die Vorfälle: Krappen befand: „Das sind Straftaten!“ Anschließend überreichte er Schellen einen Brief, in dem mitgeteilt wurde, daß gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist.

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