: Vom Parkplatz zur autofreien Zone
■ Lieber ein autofreies Vorzeigeprojekt als effektive Verkehrsberuhigung Von Marco Carini
Vorzeigeprojekt gesucht, Baugelände gefunden. Ausgerechnet auf einem Barmbeker Parkplatz-Gelände soll Hamburgs erste autofreie Siedlung entstehen. Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow und Baukollege Eugen Wagner einigten sich darauf, daß das in der Kooperationsvereinbarung von SPD und Statt Partei festgeschriebene Pilotprojekt auf einem stadteigenen Grundstück an der Saarlandstraße, zwischen Wiesendamm und Osterbekstraße verwirklicht werden soll. Bernd Meyer, Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde (Steb): „Noch vor der Sommerpause werden die Pläne von der zuständigen Senatskommission unter Vorsitz des Bürgermeisters beschieden werden.“
Dabei wird der geplante Kom–plex, der nach Auskunft der Steb rechtzeitig zur nächsten Bürgerschaftswahl bezugsfertig sein könnte, kaum anders aussehen als jede andere Kleinsiedlung auch. Knapp 250 Wohnungen, vermutlich in Zeilenbauweise, daneben ein Block mit Gewerbebetrieben und Büros, der die Wohnhäuser wie eine Schallschutzmauer von der verkehrsreichen Saarlandstraße abschottet.
Einziger Unterschied: Im Erd–reich wird keine Tiefgarage gebaut werden, motorisierte HamburgerInnen werden in dem Wohnkomplex keine Behausung finden. „Der Besitz eines eigenen Pkws soll ein Kündigungsgrund sein“, verlautbart Behördensprecher Meyer. Zur Zeit prüfe seine Behörde, wie diese Vorgabe in eine rechtsverbindliche Form gegossen werden kann. Denn sollte eineR der zukünftigen BewohnerInnen sich irgendwann doch für ein Auto entscheiden, bewegt sich der vorprogrammierte Konflikt auf juristischem Neuland. Meyer: Wenn das vor die Gerichte kommt, könnte es ein spannender Prozeß werden.“
Wagner und Mirow schien der Standort für ein autofreies Musterprojekt besonders geeignet, weil er über eine hervorragende Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr verfügt. Der Barmbeker Bahnhof und die U-Bahnstation Sengelmannstraße liegen in unmittelbarer Nähe, nicht weniger als 17 Buslinien sind zu Fuß schnell zu erreichen.
Beifall für den Vorstoß der Senatoren spendeten Robin Wood und der autokritische Verkehrsclub VCD, die an den vorbereitenden Planungen beteiligt waren. Erstmals könne nun in Hamburg „in großem Stil demonstriert werden, daß es sich in der inneren Stadt viel besser ohne Auto leben läßt“.
Das würde auch die SPD in Eimsbüttel gerne beweisen – wenn man sie nur ließe. Im Kerngebietsausschuß des Bezirks legten die Sozialdemokraten Anfang der Woche ein weitgehendes Verkehrsberuhigungskonzept für den dichtbesiedelten Stadtteil vor: Busspuren auf der Kieler Straße sollen danach zwischen Eidelstedter und Eimsbüttler Marktplatz Auto-Fahrbahnen verdrängen, die Einkaufsmeile Osterstraße zwischen der Schwenkestraße und dem Heußweg nach Vorbild der Mönckebergstraße zur Kommunaltrasse umgestaltet werden. Nur Busse, Taxen und Lieferverkehr sollen das Straßenstück dann noch befahren können.
Daneben sieht der Vorschlag, der auch von der GAL unterstützt wird, vor, den Langenfelder Damm zwischen Müggenkampstraße und Sillemstraße für Autos zu sperren und zur doppelten Busspur umzuwidmen. Zudem soll die Mammut-Kreuzung Osterstraße/Heußweg nach dem Motto „small is beautiful“ umgestaltet werden.
Noch hat zwar nicht einmal der bezirkliche Ausschuß die Pläne abgesegnet, da werden sie schon von der bekannten Freie-Fahrt-für freie-Bürger-Koalition aus CDU, FDP, ADAC, Handelskammer und Springer-Presse in der Luft zerrissen. Der „ohne den geringsten Sachverstand“ (FDP) entwickelte „Irrsinns-Plan“ (Bild-Hamburg) „verstärke“ nur „die umweltfeindliche Staubildung“ (CDU-Landeschef Fischer).
Bei soviel Gegenwind konnte sich die Baubehörde, ohne die „das alles nicht umsetzbar ist“ (Dieter Schütt, SPD-Eimsbüttel), erstmal jedes Kommentars enthalten. Daß sie nicht mitspielen wird, gilt als sicher. Wo Behörden-Präses Wagner mit der anvisierten autofreien Minisiedlung doch die radikale Verkehrswende längst eingeleitet hat.
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