piwik no script img

Kalter Krieg um reinen Wodka

Mit der UdSSR verschwand der ehrliche Wodka: 873.000 Dollar muß Pepsi einer Moskauer Brennerei für Etikettenschwindel zahlen  ■ Aus Moskau Barbara Kerneck

Mit dem edlen Design für ein noch edleres Etikett begann die Zusammenarbeit zwischen der weltweit wirkenden PepsiCo und der in Rußland renommierten Moskauer Likör- und Wodkafabrik „Kristall“. Vor einem Bezirksgericht im US-Staat Washington wurde die Kooperation vorläufig beendet.

Aus der Zusammenarbeit beider Unternehmen entsprang 1988 die Wodkamarke „Stolichnaya Cristall“. Verbreitet wurde sie in den USA. Da man eine Wodkamarke, anders als einen Säugling, nicht mit dem Schwert zweiteilen kann, urteilte das König Salomon nacheifernde Gericht in Seattle, beiden Beteiligten das Aufpappen des betreffenden Labels zu untersagen.

Der Firmenstreit wurzelt tief in der Historie. Ende der sechziger Jahre fand das bis dato Cola-lose Dahinvegetieren der Sowjetbevölkerung ein Ende. Gegen Kater, Durchfall und Hitzschlag durften sich RussInnen, UkrainerInnen und UsbekInnen – genau wie der Rest der Weltbevölkerug – Cola der Marke Pepsi verordnen. Die PepsiCo erhielt dafür das Recht, in den USA russischen Wodka zu vertreiben.

Den bezog das US-Unternehmen allerdings nicht direkt von den sowjetischen Herstellern. Da diese, den damaligen Bräuchen zufolge, nicht befugt waren, Außenhandel zu treiben, trat die Firma „Sojusplodoimport“ auf den Plan (zu deutsch „Unionsfruchtimport“). 1984 kaufte die PepsiCo von dem Obstmonopolisten das Urheberrecht für den Wodkamarkennamen „Stolichnaya“, zu deutsch „der Hauptstädtische“. Zwei Jahre später legte sich – angesichts der Gorbatschowschen Antialkoholkampagne – eine Moskauer Brennerei den unschuldheischenden Firmennamen „Kristall“ zu.

Schon damals gediehen Falschbrennerei und Schwarzhandel, und so erschnüffeln hauptstadtnahe AlkoholkonsumentInnen im Stempel der Moskauer Fabrik „Kristall“ eine zwar nicht hundertprozentige, aber dank des kontrollierten Vertriebsnetzes der Firma doch relativ hohe Chance, redlichen Wodka in die Kehle zu bekommen.

So weit zur Geschichte. Bei dem Gerichtsprozeß selbst ging es vor allem ums Etikett. Es entstand 1987, als PepsiCo sich durch die schwedische Edelmarke „Absolut“ in die Ecke gedrängt fühlte und nach einem eigenen Wässerchen der Premiumklasse strebte. Worauf per Vermittlung von Unionsfruchtimport der Streitapfel „Stolichnaya Cristall“ das Licht der Welt erblickte. Das neue Label bot schwarzen Grund – als Zeichen für Auserlesenheit – und goldene Schriftzüge – als Hinweis auf den hohen Preis. Der neue Name wirkte wie eine Zauberformel: Bis 1994 verkaufte Pepsi 450.000 Liter pro Jahr.

In jenem Jahr jedoch umging PepsiCo die autorisierte Quelle und füllte in die einschlägig beklebten Flaschen der Neuen Welt Stoff aus einer anderen Brennerei in Sankt Petersburg. Die Moskauer Fabrik „Kristall“, ihrerseits nicht faul, entwickelte für den US-Markt daraufhin eine neue Marke namens „Moscow Signature Cristall“. Die vertrieb sie nun selbst unter Umgehung von Sojusplodoimport-Pepsi. Das Etikett dieses Wodkas glich der „Stolichnaya Cristall“-Bauchbinde wie ein Ei dem anderen und übertraf sie noch durch den Zusatz „Original“.

Nicht nur reiste die russische Firma als blinder Passagier auf der Reklamewelle des großen amerikanischen Bruders mit, sie traf ihn auch noch durch ihre Preise. Während die Flasche „Stolichnaya Cristall“ erst für 22 Dollar zu haben war, konnten die US-BürgerInnen die entsprechende Menge „Moscow Signature Cristall“ bereits für acht Dollar erstehen. Pepsi klagte 1995. „Kristall“ konterte Ende 1996 mit einer Gegenklage.

Die Konfusion ist perfekt, da sich zu Sowjetzeiten niemand Kopfzerbrechen um Markennamen machte. Die PepsiCo führte eine hauseigene Designerin vor Gericht, die zweifellos das betreffende Aufklebeschild entworfen hatte. Die Idee dazu, so heischt das Management des Moskauer Unternehmens, sei aber seinem Haus entsprungen. Wer die Gedankenfreiheit propagiert, kann dies nachträglich kaum widerlegen. Noch schwieriger steht es mit dem Namen „Stolichnaya“, der rußlandweit von verschiedenen kleinen Herstellern genutzt wird und für die USA vom Unionsfruchtimport gepachtet ist.

Und das kristallene Element bei beiden Markenzeichen? Natürlich erkennt die Moskauer Fabrik darin ihren Namen. Die US-Vertreiber behaupten, die Entscheidung für die Komponente „Cristall“ sei schon lange gefallen, bevor man sich mit diesem Hersteller verband. Dieser Begriff habe lediglich auf etwas „Hohes und Reines“ hinweisen sollen.

Nicht ganz rein erschien diese Argumentation den amerikanischen SchöffInnen. Da sich das entsprechende Wort in ihrer Sprache „crystal“ schreibt, fragten sie die PepsiCo, wie man denn auf das „i“ und das zweite „l“ im Wort gekommen sei. Letztendlich haben die Richter PepsiCo das Recht an dem Design von Flasche und Etikett zugestanden, dem „Kristall“- Werk aber die exklusive Nutzung des Markennamens „Cristall“ – wenn auch ohne den Zusatz „Stolichnaya“.

Außerdem kassierten die Russen noch 873.000 Dollar Entschädigung. „Der Jury zufolge hat da eine weltumspannende Handelsgesellschaft versucht, einer kleinen russischen Firma das Leben schwerzumachen“, kommentierte Eric Whitman, Vizepräsident der PepsiCo Wine and Spirits International.

Tatsächlich hatten die „Kristall“-Anwälte während des Prozesses das David-und-Goliath- Schema weidlich ausgeschlachtet und nicht mit Pathos gespart. „Dies ist dasselbe Volk, das vor Stalingrad und vor Leningrad gegen die Nazis gekämpft hat. Sie haben Millionen von Leben geopfert, um ihre eigene Lebensweise zu verteidigen. Natürlich glaube ich nicht, daß sie für ,Stolichnaya Cristall‘ sterben würden, aber abtreten werden sie diese Marke der PepsiCo auch nicht so einfach“, sagte Anwalt Newland.

Während PepsiCo Berufung einlegte, bereitet die kleine russische Firma munter den Export einer neuen Wodkamarke in die USA vor. Sie soll „Cristall Moscow“ heißen und mit einem neuen Make-up erscheinen. Der Direktor der Moskauer „Kristall“-Brennerei, Wladimir Jamnikow, weist als einziger auf den Inhalt der umstrittenen Pullen hin: „Das Rezept zu ,Stolichnaya Cristall‘ hatten wir erfunden.“

Die PepsiCo hält dagegen, daß es sich um ein branchenübliches Verfahren gehandelt habe, nur sei besonders reines Wasser verwendet worden. Und die Moral aus dem Prozeß? Man kann ihn mehr oder wenig rein destillieren und auch ein wenig würzen, aber im Grunde bleibt Wodka immer Wodka. Alles andere ist eitler Wahn.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen