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Schrecklich unansehnlich

■ Werder besiegte den abstürzenden SC Freiburg auf die normale Werder-Art 1:0 Von unserem Gastautor Dieter Mützelburg

reude oder Resignation? 28.000 ZuschauerInnen im Weserstadion waren nach Werders 1:0-Sieg über den Tabellenletzten SC Freiburg verunsichert. Trainer, Spieler und Vereinsführung freuten sich pflichtgemäß über drei gewonnene Punkte. Die Fans sangen wie immer „So ein Tag...“ Und die Freiburger schimpften über den Schiedsrichter, dessen Elfmeterpfiff in der 79. Minute Herzog die Chance zum Torschuß gab.

Wirklich, es war alles ganz normal im Weserstadion am Samstag. Sogar der Temperaturanzeiger zeigte immer noch sechs Grad mehr an, als die Meteorologen übers Radio verkündeten. Ganz normal – wie im November und Dezember – war dito Werders spielerische Leistung: so gut wie nicht vorhanden. Ganz normal spielte Werders Mittelfeld, eifrig, übereifrig, dem Gegner in die Füße. Und ganz normal zeigte sich auch Werders Sturm, diesmal Bode und Labbadia (Flo hatte Grippe). Er blieb ohne Wirkung.

Die Verunsicherung der ZuschauerInnen hatte andere Quellen. Schließlich hatten Trainer Dörner und die Spieler Todt, Reck und Eilts von der „ganz neuen Taktik“ geredet, der variantenreicheren Mannschaftsaufstellung, dem neuen Elan. Schließlich, so Marco Bode vor dem Spiel, „haben wir gut trainiert“. Auf dem Spielfeld war die veränderte Aufstellung bemerkbar. Eilts als Libero und seine „Abräumer“ Ramzy und Skripnik sowie der „Staubsauger“ Todt (Entschuldigung, so ist nunmal Fußball-Lehrers Sprache) gewannen fast jeden Zweikampf gegen die Freiburger und stürmten zügig nach vorn.

Dann aber hörte die Wirkung der neuen Taktik auf. Die Spieler mit Ball wußten entweder nicht, wohin die Spieler ohne Ball laufen würden, oder aber es war umgedreht. Auf jeden Fall kam der Ball in der Regel nicht dahin, wohin er sollte, und das schien die Freiburger auch nicht zu überraschen; schließlich gab es einfach keine überraschenden Pässe.

Die Verunsicherung bei den ZuschauerInnen ließ sich Samstag nicht auflösen. Liegt es an den Spielern? Oder am Trainer? Oder sind es nur die unglücklichen Umstände, die Werders Leistung so unansehbar und ebenso unansehnlich machen? Die Umstände waren diesmal nicht mildernd: kein wichtiger Spieler verletzt, kein unverträglicher Rasen, kein ruppiger Gegener, kein niederträchtiger Schiedsrichter. Also: die Spieler. Vieles spricht dafür, schließlich spielen sie so schlecht. Andererseits hat jeder von ihnen – lassen wir mal Lars Unger und Torsten Frings beiseite (die das grünweiße Trikot erst selten trugen) – schon viel besser gespielt, hier und anderswo, in Deutschlands, Österreichs oder Ukraines Nationalelf. Wer hat die Herzogs, Brands, Todts, Skripniks, Ungers und Labbadias eingekauft, wer sie auf den Platz gestellt, wer unterrichtet sie?

Also doch der Trainer? Dixie Dörner, nicht in der Lage, eine Mannschaft im sicheren und schönen Spiel zu unterweisen? Die fußballerischen Fähigkeiten ans Tageslicht zu bringen? Ganz ehrlich, wir wissen es nicht; einfach, weil Dixie Dörner nie zuvor diese Traineraufgabe hatte. Wir glauben mittlerweile, daß auch Dixie Dörner das nicht weiß. Sonst würde er nach solchen Spielen mehr zu sagen haben als Kanzlers Sprecher nach der Überbringung schlechter Nachrichten vom Arbeitsmarkt: „Wir werden uns noch steigern müssen.“

Die Verunsicherung bleibt. Dennoch ist es so, wie Freiburgs Trainer meinte: „So leicht war das Siegen in Bremen noch nie.“ Erstens war es den Freiburgern nicht gelungen, weil sie spiielten wie ein Tabellenletzter, defensiv, mutlos, zweikampfschwach. Und zweitens, weil mit solchen durchgemogelten Erfolgen schon ganz andere Teams Meister geworden sind. So wie Werder gewann, so gewinnt Schalke, so gewinnt Bochum, so gewinnt man sich in den UEFA-Cup. Also: Werders Rückrundenstart wohl doch eher ein Grund zu Freude.

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