Vorbereitung auf den Tod

Eine Serie des chinesischen Fernsehens bereitet die Nation auf die Zeit nach Deng Xiaoping vor  ■ Aus Peking Annette Grüttner

Der Blick ins abendliche Fernsehprogramm stürzte die Chinesen im Januar in schwere Konflikte. Zur besten Sendezeit – um 20 Uhr – zeigte das staatliche chinesische Fernsehen die Serie „Ich bin ein Sohn des chinesischen Volkes – Deng Xiaoping“. Die zwölfteilige Dokumentation hatte schon vor der Ausstrahlung die Gerüchteküche angeheizt. Zum ersten Mal ist eine solches Opus über einen noch lebenden chinesischen Staatsmann produziert worden. Die Folgerung lag nahe, daß der inzwischen 93jährige Deng womöglich schon tot sei. Doch obwohl solche Mutmaßungen die Erwartungen an die Serie erhöhten und die Propagandaabteilung der Regierung große Werbefeldzüge dafür gestartet hatte, waren die Einschaltquoten niedrig. Die meisten Chinesen entschieden sich für eine im Gegenprogramm zeitgleich laufende Seifenoper über Leben und Leiden in einem Pekinger Wohnkomplex.

Dennoch zeigt die Ausstrahlung der Dokumentation einiges über die Ziele und Nöte der chinesischen Regierung.

Die Serie soll Volk und Partei auf die pragmatischen Reformtheorien des schwerkranken Greises und seines Nachfolgers im Amt des Staats- und Parteichef, Jiang Zemins, einschwören, noch bevor der Patriarch endgültig das Zeitliche segnet. Als Einführung war denn auch eine Rede Jiangs zu sehen, in der er Deng als großen Revolutionär und Staatsmann würdigt und gleichzeitig seine eigene Rolle als Dengs Nachfolger herausstreicht. Eine einheitliche Parteilinie ist in diesem Jahr besonders wichtig, denn in China stehen zwei wichtige politische Ereignisse bevor: Die Übergabe Hongkongs am 1. Juli und der 15. Parteikongreß im März. Auf dem Kongreß soll nach Willen der Regierung Jiang Zemins politische Autorität gestärkt und die „Deng-Xiaoping- Theorie“ als „moderner chinesischer Marxismus“ in die Parteiverfassung aufgenommen werden. Kern dieser Deng-Xiaoping-Theorie, die heute jedem Kader eingefüttert wird und die vorher allgegenwärtigen „Gedanken Mao Zedongs“ langsam ersetzen soll, ist die Kunst der wirtschaftlichen Modernisierung ohne Lockerung der politischen Kontrolle.

Überraschend deutlich ist die Kritik am maoistischen Klassenkampfdogma. Sorgfältig ausgewählte Sequenzen zeigen die verheerende Wirkung des „Großen Sprungs nach vorn“ Ende der 50er Jahre, mit dem nach Maos Vorstellung Chinas Wirtschaft durch Brachialmethoden Jahrzehnte der Entwicklung überspringen sollte. Statt dessen hatte die Kampagne das ganze Land in eine Hungersnot gestürzt. Auch die von Mao zur Stärkung seiner Machtbasis 1966 initiierte Kulturrevolution wird als Katastrophe dargestellt. Derart deutliche Kritik an Mao Zedong und seiner Politik ist erstaunlich, gilt doch für die Darstellung Maos in den Medien noch immer die vorsichtige Regel: „70 Prozent seiner Politik war positiv, 30 negativ.“ Die Botschaft ist eine klare Absage an die noch immer um Einfluß und Verschleppung der Wirtschaftsreformen ringenden orthodoxen Linken in der Partei.

Gespannt waren westliche Beobachter vor allem auf die Darstellung der Ereignisse auf dem Pekinger Tiananmen-Platz im Frühjahr 1989. Dabei glitt die Serie ins Propagandaniveau ab. Die Demonstrationen, die in den Armee-Einsatz am 4. Juni 1989 mündeten, werden entsprechend der üblichen Sprachregelung als „ernster politischer Zwischenfall“ bezeichnet, aber dokumentarisch nicht belegt.

Statt dessen ist Deng im Kreise hoher Militärs am 9. Juni, nach Beendigung der Kämpfe, zu sehen. Sein Dank an die Militärs – „Ihr habt gute Arbeit geleistet, Genossen“ – wird immerhin ausgespart. An anderer Stelle wird der „Zwischenfall“ in den Zusammenhang der „instabilen Lage auf der Welt“ gestellt. Kurz nach den „Pekinger Unruhen“ sei es auch in Osteuropa zu dramatischen Veränderungen gekommen. In dieser Situation habe die ganze Welt damals auf China geblickt.