Icke in der Lücke

■ Auch nach dem Karlsruher DFB-Pokal-1:0 über die Bayern schweigt sich "Psychotrick" Häßler über seine Zukunft aus

Karlsruhe (taz) – Nach 62 Minuten war es dann doch an der Zeit, dem Trainer das verabredete Zeichen zu geben. Thomas Häßler schaute kurz zur Bank, winkte mit dem Arm, und Winfried Schäfer wußte sofort, daß genau jetzt der Moment gekommen war, um den großen Fußballer vom Platz zu nehmen. Als Icke vom Feld ging, da spielten alle, die drumherum standen oder saßen, ein letztes Mal verrückt. Außer denen natürlich im Bayern-Block. Die anderen jubelten und klatschten und schrien, um Icke, ihrem Icke, zu zeigen, wie ganz toll lieb sie ihn haben und wie sehr sie ihn brauchen bei sich in Karlsruhe.

Keine Frage, das DFB-Pokalviertelfinale zwischem dem KSC und den Münchner Bayern war einer dieser denkwürdigen Abende, die es im Wildpark in schöner Regelmäßigkeit immer wieder mal gibt. Seit nunmehr zweieinhalb Jahren spielt Thomas Häßler dabei meist die Hauptrolle. Am Mittwochabend, beim 1:0-Sieg tat er es deshalb, weil eigentlich keiner so richtig damit gerechnet hatte, daß er überhaupt schon wieder würde spielen können nach seinem Knöchelbruch vor ziemlich genau drei Monaten. Trainer Schäfer wartete bis 20 Minuten vor Anpfiff, ehe er Ickes Name dort einsetzte auf dem Spielberichtsbogen, wo er eine Lücke gelassen hatte in weiser Voraussicht.

Es war einer dieser „seltsamen Psychotricks“, die Oliver Kahn, Hüter des Bayern-Gebälks und ehemaliger Karlsruher, Schäfer schon während der Woche vorgeworfen hatte, als dieser wegen zu vieler Grippekranker in den eigenen Reihen erwogen hatte, die Partie verlegen zu lassen. Nicht nur, daß Schäfer ziemlich in Bestform auflaufen ließ, mit dem Einsatz von Häßler drehte der Wilde Winnie die Motivationsschraube bei Spielern wie Publikum noch eine Umdrehung weiter.

Schon am Vortag, als rund um den Wildpark bekannt wurde, daß der Welt- und Europameister gegen die Bayern zumindest auf der Bank sitze, wollte der Trainer seismographisch erspürt haben, „daß ganz Karlsruhe vibrierte“. Einen unheimlichen Motivationsschub bei sich und den Seinen machte auch Thorsten Fink, einer der Besten auf dem Platz und Schütze des einzigen Treffers (21.), durch das Mitwirken seines Kapitäns aus.

Fink hatte allerdings auch noch einen eher fußballerischen Grund parat, warum es beim KSC mit Häßler um so vieles besser läuft. „Der Thomas“, wußte Fink zu berichten, „zieht immer zwei, drei Leute auf sich und schafft damit Platz für die anderen.“

Jede Menge Platz hatten freilich auch die Bayern, namentlich die Herren Scholl und Basler, wenn auch nur unter der Dusche, unter die sie von Trainermaestro Trapattoni wiederum frühzeitig geschickt wurden (69./74.) und unter die sich Christian Nerlinger nach Gelb-Rot (79.) bald dazustellte. Kein Wunder, daß von der angeblich neugewonnenen Harmonie in der Bayern-Familie diesmal wenig zu spüren war.

Der starre Blick von Jürgen Klinsmann, der nach zwei Treffern letzten Samstag gegen St. Pauli diesmal ohne jede Torchance blieb, ließ kaum Gutes erahnen für die nähere Zukunft. Und in der Pressekonferenz mußte Giovanni Trapattoni schon wieder erklären, warum er den und den und den vom Platz befohlen habe, wo doch der und der und der um vieles schlechter gewesen sei.

Während die Bayern diese Dinge erst einmal wieder intern regeln müssen, entwerfen die Karlsruher schon einmal Pläne. Winfried Schäfer will herausfinden, wo Cottbus liegt, da man sich Mitte April dort zum Halbfinalspiel einzufinden hat. Und man will klären, wie es weitergehen soll mit ihnen und Thomas Häßler, dessen Vertrag ausläuft. Der hat zwar Mönchengladbach abgesagt, aber nach wie vor noch nicht genauer erklärt, wie und wo er sich seine Zukunft vorstellt.

„Ein großer Mosaikstein“, ließ KSC-Präsident Roland Schmider wissen, sei dieser Pokalsieg gewesen, dafür nämlich, daß Icke tatsächlich im Badischen bleibt. Andere Steinchen hatten sie zuvor schon zusammengesetzt, wie etwa die Frage des Geldes, die laut Schmider geklärt ist und bei drei Millionen Mark per anno liegen soll. „Jetzt geht nichts mehr schief“, hat der Präsident schließlich noch gesagt.

Nur Thomas Häßler hat weiterhin geschwiegen. Frank Ketterer

Karlsruher SC: Reitmaier - Hengen - Reich, Ritter - Keller, Fink, Häßler (62. Carl), Tarnat, Schuster - Kirjakow, Dundee

Bayern München: Kahn - Matthäus - Babbel, Kuffour - Basler (75. Hamann), Strunz, Nerlinger, Scholl (69. Rizzitelli), Ziege - Klinsmann, Zickler (83. Jancker)

Tor: 1:0 Fink (21.) - Zuschauer: 33.000 (ausverkauft)

Gelb-Rot: Nerlinger (79.) wegen wiederholten Foulspiels