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Keine Chance, einen Schrank mit genügend Schubladen zu finden

■ betr.: „Jugend tazt“, taz vom 12. 2. 97

Mit großer Freude nahm ich heute morgen zur Kenntnis, daß die taz sich von nun an in lockerer Folge mit meiner Generation beschäftigen will. Daß ich mit 19 Jahren als einer der jüngsten Leser bezeichnet werde, wundert mich jedoch, da ich mich eigentlich vor vier Jahren eher in dieser Position sah. Vermutlich habe ich das Durchschnittsalter der Leserschaft falsch eingeschätzt ...

Jede journalistische Annäherung an dieses Thema amüsiert mich irgendwie, weil ich mich wie ein wildes Urwaldtier fühle, dem ein Dutzend Jäger auf den Fersen sind, um es zu sezieren und dadurch zu verstehen. Die meisten Medien verhalten sich dabei jedoch sowieso wie einbeinige Professoren, die versuchen eine Raubkatze einzuholen, wenn sie versuchen die Jugendlichen von „heute“ zu definieren. Die taz ist der Raubkatze „Jugend“ jedoch dicht auf den Fersen, obgleich ich euch versichern kann, daß auch ihr es nicht schaffen werdet, uns zu „fangen“ und in Schubladen zu pressen. Es gibt schon lange keine Schränke mehr, die so viele Schubladen aufweisen ... Täglich verändert sich die Gesellschaft durch Politik und Technik und noch viel schneller ändert sich die Gruppe mit all ihren Gruppen und „Stämmen“. Ihre Anzahl steigt exponential!

Aber auch bei uns gibt es Gemeinsamkeiten. Gemeinsamkeiten, die uns zwar verbinden, aber gleichzeitig auch die Gründe sind für die Bildung der vielen Gruppen. Allem voran steht dabei bei mir das Fehlen von Perspektiven. Die steigende Arbeitslosigkeit und der Lehrstellenmangel schweben wie ein Fallbeil über unseren Köpfen. Nur noch einer Elite sind die nichthandwerklichen Berufe zugänglich. Wenn wir uns in einigen Jahren bewerben, müssen wir praktische Berufserfahrungen und einen Hochschulabschluß besitzen und zugleich noch jung und dynamisch sein. Diese völlig widersprüchlichen Forderungen der Arbeitgeber sind ein wichtiger Grund für die Unentschiedenheit der Jugendlichen – und entscheiden muß man sich am besten schon in der Grundschule, damit man schon in den folgenden Jahren durch Kurse und Arbeitsgemeinschaften auf sein Berufsziel hinarbeiten kann ... Aus diesem gewaltigen Druck, mit dem keine vorherige Generation konfrontiert wurde, versucht nun jeder auf seine Art und Weise einen Weg zu finden. Die einen werden schon früh zu strebsamen Yuppies und versuchen brav die irren Forderungen der Industrie bestmöglich zu erfüllen, während andere ihre Ohnmacht mit Drogen und Tanzen betäuben und wieder andere sich im kleinen, aber doch rebellisch, widersetzen. Durch diese Reaktionen auf die Lasten von Industrie und Politik heraus entstehen die Stämme und Gruppen, die die Medien jedes Jahr wieder zu definieren versuchen.

Ich wünsche also auch euch viel Glück bei diesem Versuch, dessen Ergebnis mir jedoch eigentlich schon klar ist und mich bereits amüsiert ... Danny Dorscheid,

Neu Wulmstorf

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