: Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar
...kommt in den verschiedensten Figuren daher. Welche Gestalt er gerade annimmt, ist abhängig von Jahreszeit, Lebensalter, Mode oder gesamtgesellschaftlichem Klima. Beispielsweise boypower, mit Jeans und eingemeißeltem Highschool-Appeal noch Held der achtziger Jahre, ist passé, definitiv out. Selbst der clone, dieser schnauzbärtige Männerdarsteller im Karohemd als Dauerbrenner, tritt langsam ab.
Andere dagegen sind unverwüstlich. Wie der Belladonna- Jüngling mit Pomade im Haar und Proust auf den Lippen. Oder der literarische Dandy, diese Summe aus Oscar Wilde, Noel Coward und Quentin Crisp. Also ganz britisch. Mit Seidenschal, manikürten Fingernägeln und Silberbesteck beim Frühstück selbst in allergrößter Armut. Dazu amüsant-kluge Sätze zum Mitschreiben, die voller Spott sind für die Welt und für die Menschen und voller Liebe dazu.
Eine solche Ausnahmeerscheinung gilt es hierzulande zu entdecken: Egbert Hörmann. Der Berliner Übersetzer und Autor hat jetzt eine Sammlung seiner Kolumnen vorgelegt, die gezielt Einblick geben in schwule Welten, wie es kein Praunheim-Film schafft und keine zehn Aufklärungsbücher. „Hurra, ein Junge!“ ist der Titel des Buches, den man gleich wieder vergessen muß, weil er so unsäglich ist und so unpassend wie das Cover mit Bubbles, Boy und Babyblau. Hat man diese Fehleinschätzung hinter sich gelassen, geht die Achterbahn los, und man quietscht und schreit und wird ganz blaß um die Nase, wird emporgehoben und will sofort wieder zurück auf den Teppich. Dabei kennt Hörmann keine Tabus, nicht, weil er den Tabubruch liebt, er kennt wirklich keine. Das gibt seinen Geschichten ordentlich Fahrt und läßt sie alle gleich werden, die darin rumstolpern. Wie die Kulturtrine, kurz KT: „Ihr IQ ist immerhin größer als ihre Schuhgröße, was nicht von vielen Leuten behauptet werden kann, und letztlich streben die meisten Schwulen nach dem KT-Zustand.“ Oder der BF, der Beste Freund: „Wer keinen hat, liegt bei Analytikern herum, und wohin das führt, haben wir bei Woody Allen gesehen.“ Oder Frauen: „Letztendlich sind die Frauen eine Frage des Geschmacks wie alles andere: Paella, Amaretto, Teebeutel oder eine Bildungsreise nach Padua.“ Dazwischen gestreut sind die gewichtigen Erkenntnisse über Sonnenbrillen als „psychologische Waffe“, Uniformen als „heroische Vision der Männlichkeit“, Strichbuben ohne „erotische Kultur“ und die Qualen der Penisparanoia: „Entweder er ist klein oder groß.“
Diesen gedruckten Plaudereien zu lauschen ist so unangestrengt lehrreich, während der Autor die gesamte abendländische Kultur hervorzaubert und dabei den Eindruck erweckt, als seien Albert Einstein, Coco Chanel und Jeff Stryker gleichermaßen notwendig, die Welt zu begreifen. Das beweist Dandy-Tradition, hier ergänzt mit den Erfahrungen aus der rebellischen Generation nach 1968, der Schwulen- und der Frauenbewegung. Hörmann bleibt das letzte Wort: „Komm zurück, schwuler Dandy, komm mit deinen betörenden Aromen, deinen Schlagfertigkeiten, deinem Boudoir, deinen schwimmenden Augen und hängenden Gärten, deinem Hang zur Übertreibung und vor allem mit deinen Mänteln und deren Innenfutter aus Pelz von der Firma Fendi!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen