piwik no script img

Unterm Strich

Gestern noch „Dolly“ als Partonscher Busenersatz, und morgen vielleicht Kate Moss als geklontes Vorbild in einem „Bordell voller Zwillinge“. Die Idee stammt von dem in Köln lebenden Künstler Carsten Höller, der seit einiger Zeit an der Grenze zur Wissenschaft arbeitet (siehe taz vom 8. 7. 1996). Am Sonntag nun hat der studierte Biologe und künstlerische Autodidakt in Dresden für seine Bemühungen den Kritikerpreis für Bildende Kunst erhalten.

In der Begründung heißt es: „In einer Zeit, in der die Wissenschaft scheinbar immer das letzte Wort hat, lehrt das Werk Carsten Höllers ein gesundes Mißtrauen.“ Mit seinen Arbeiten, so die dreiköpfige Jury aus Rainer Höynck, Michael Nungesser und Thomas Wulffen, schaffe Höller eine „wesentliche Vorraussetzung dafür, daß zeitgenössische Kunst, die sich der breiten Bevölkerung immer unverständlicher darstellt, wieder Erkenntnis befördert“. Dabei ist das Künstlerinteresse jedoch weitaus weniger an der Aufklärung orientiert als etwa Fragonards frühe Darstellungen des menschlichen Körpers: Im Juli hatte Höller im Kölnischen Kunstverein in seiner Installation „Killing Children I and II“ diverse Kinderfallen, Quallen und vergiftete Bonbons ausgelegt. Sein Beitrag zur Amsterdamer Ausstellung „Hybrids“ bestand aus einer Loseblattsammlung mit Abbildungen und Preislisten für verschiedene Sorten von genmanipulierten JAX-Mäusen.

Der iranische Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Bozorg Alavi, der lange in Deutschland lebte, ist im Alter von 93 Jahren in Berlin gestorben. Wie seine Frau am Samstag der dpa bestätigte, starb ihr Mann bereits am 16. Februar in einem Krankenhaus. Der politisch links stehende und vom einstigen Schahregime in seiner Heimat verfolgte Alavi lebte seit 1953 in Ost-Berlin, wo er viele Jahre an der Humboldt-Universität persische Literatur lehrte. Er zählte zudem zu den Mitbegründern der modernen Prosaliteratur Irans. Seine eigenen literarischen Werke, vor allem Erzählungen und Novellen, wurden in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt. Deutsche Ausgaben erschienen zunächst in der DDR, so der Roman „Ihre Augen“ (1959) und „Die weiße Mauer“ (1960). In der Bundesrepublik wurde Alavi 1961 durch seine Erzählung „Totentanz“ in der Anthologie „Persische Meistererzähler der Gegenwart“ bekannt.

Alavi, 1904 in Teheran geboren, studierte 1922 bis 1928 in Deutschland Pädagogik. In seiner Heimat arbeitete er zunächst als Lehrer und gehörte zu den Gründern der Künstlergruppe „Vier“. 1937 wurde er als Mitglied der linken Vereinigung „Erani“ verhaftet und nach vier Jahren Haft entlassen. Später war er Mitbegründer der kommunistischen Tudeh-Partei. Nach dem Scheitern der Revolution der Nationalen Front und der Machtübernahme durch den aus dem Exil zurückkehrenden Schah ging Alavi in die DDR.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen