: Natural Born Hempster Von Mathias Bröckers
Aus Kentucky kommt zwar der berühmteste Bourbon-Whisky, und die Werbefilme schwelgen in nostalgischer Kellermeisterromantik, doch was Puritanismus und Prohibition angeht, zählt der amerikanische Bundesstaat zu den strengsten im Lande. Nicht nur, was das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit betrifft, sondern auch in Sachen Cannabis. Vor drei Jahren wurde in Lexington ein Aktivist verhaftet, weil er in Hanfkleidung demonstrierte und solche Klamotten angeblich „zu Straftaten auffordern“.
Mittlerweile ist die Debatte dort auf etwas prominenterem Niveau: Um die wieder ins Leben gerufene „Kentucky Hemp Growers Cooperative Association“ zu unterstützen, setzte der Schauspieler Woody Harrelson („Natural Born Killer“, „Larry Flynt“) im Juni in Kentucky vier Hanfsamen in die Erde. Weil Woody einer von Hollywoods jungen Megastars ist, waren natürlich ein Dutzend Kameras dabei, und es kam zur Anklage wegen Marihuanakultivierung: 1.000 Dollar oder vier Wochen Gefängnis. Das Angebot der Behörden, von einer Strafe abzusehen, wenn sich der Angeklagte ein Jahr von Kentucky und von Hanf fernhält, lehnte Harrelson ab. Statt dessen kehrte er nach Lexington zurück, um die Preise in einem Aufsatzwettbewerb über industrielle Hanfnutzung zu verleihen, für den eine Lehrerin unter Beschuß der Behörden geraten war. Und nicht nur die Kids, die Woody aus seinen frühen Seifenopern kennen, waren aus dem Häuschen, auch Joe Hickey, der Chef der Hanfkooperative, konnte sich über die neue Medienöffentlichkeit freuen.
Am Wochenende traf ich die beiden in Frankfurt beim Symposion „Biorohstoff Hanf“ und konnte bei unserem Zug durch die Kneipen feststellen, was so ein kommender Bogart im Schlepptau wert ist, zumindest was die Attraktion aufregender Frauen angeht. Aber als Yogalehrer bringt Woody die nötige Gelassenheit, sich trotz heftigen Flirts die halbe Nacht über die schönste Hauptsache der Welt zu unterhalten: Hanf. Der Start-up der Hanfwirtschaft in Deutschland schallt in USA wie Donnerhall, und Aktivisten wie Joe Hickey, die gegen das Anbauverbot klagen, reiben sich die Augen über das Angebot auf der „biofach“: Es gibt kaum noch eine Naturwarenfirma, die kein Hanfprodukt im Angebot hat. Ob Kosmetik, Bekleidung, Food – die „me too“-Welle hat eingesetzt, und wenn jetzt die Nr. 1 der internationalen Modewelt, Armani, an Bord kommt, wird aus dem öko-romantischen Cannabusiness endgültig ein Mainstreammarkt. Die Wände der Armani-Zentrale in Mailand sind bereits mit 5.000 Metern Hanfleinwand bespannt, und Woody war bei einem Abstecher vor dem Besuch in Frankfurt eingekleidet worden. Bei der internen Diskussion, wie das verrufene Hanfblatt mit dem edlen Firmenlogo zu vereinbaren sei, soll sich das höhere Management für dezente Lösungen ausgesprochen haben, doch der Chef befahl: Wenn wir das machen, dann richtig. Und so strahlt auf Mr. Harrelsons Baseballmütze ein glänzendes grünes Hanfblatt. Daß „Larry Flynt“ ein klasse Film ist, müssen wir hier nicht wiederholen, seine nächste Hauptrolle spielt er in einem „schwarzen“ Krimi (Regie: Volker Schlöndorff) – und natürlich in der Promotion unseres Lieblingskrauts.
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