: Unterm Strich
Dog on the bay: Das drei Monate nach einem spektakulären Kunstdiebstahl glücklich wiedererbeutete Gemälde „Ansicht eines Hafens“ von Caspar David Friedrich hat seinen endgültigen Platz im Berliner Schloß Charlottenburg gefunden. Am Dienstag hing es erstmals wieder in den seit Februar erneut zugänglichen Wohnräumen des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861). Der 21jährige Kronprinz hatte das 1815 entstandene Werk, das möglicherweise den Stralsunder Hafen darstellt, zu seinem 21. Geburtstag netterweise von seinem Vater geschenkt bekommen. Nachdem es zunächst im Berliner Stadtschloß gehangen hatte, kam das Gemälde 1840 in die Wohnräume im Schloß Charlottenburg. In einem dem Arbeitszimmer vorgelagerten Adjutantenraum ist das heute auf fünf Millionen Mark geschätzte Bild jetzt wieder gemeinsam mit anderen Werken aus dem Besitz des Königs, darunter von Karl Friedrich Schinkel und Carl Blechen, ausgestellt.
Durch die Wiedervereinigung der Schlösserverwaltungen in Potsdam und Berlin zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Anfang 1995 war es möglich geworden, eine Fülle von Kunstwerken aus dem Besitz Friedrich Wilhelm IV., der als „Romantiker auf dem Thron“ gilt, und seiner Frau Elisabeth aus Potsdam nach Berlin ins Schloß Charlottenburg zu überführen. Kurz vor ihrer „Heimholung“ war die Hafenansicht von Kaspar David Friedrich Anfang Dezember jedoch aus dem Schloß Charlottenhof im Park von Sanssouci gestohlen worden, in dem Friedrich Wilhelm und Elisabeth als Kronprinzenpaar lebten.
Anfang vergangener Woche wurde der Kunstdiebstahl aufgeklärt. Ein 24jähriger Architekturstudent und ein gleichaltriger Tischler hatten das Gemälde in einer Garage versteckt. Es blieb unbeschädigt, bestätigte Stiftungssprecher Gert Streidt.
Rund 50 regierungskritische Schauspieler und oppositionelle Parlamentsabgeordnete haben am Dienstag erneut vor dem slowakischen Regierungssitz in Bratislava demonstriert. Nach dem Polizeieinsatz gegen sie am Vorabend verlangten die Schauspieler den Rücktritt von Innenminister Gustav Krajci und Kultusminister Ivan Hudec. Einige der seit zwei Wochen gegen die staatliche Kulturpolitik streikenden Schauspieler waren am Vorabend von der Polizei brutal aus dem Gebäude des Kultusministeriums geworfen und vorübergehend festgenommen worden. Nach Intervention von Abgeordneten waren sie jedoch freigelassen worden und hatten die Nacht im Ministerium verbracht. Hintergrund ist die Kritik der Schauspieler, der nationalistische Regierungschef Vladimir Meciar wolle die gesamte Kultur an die Leine legen. Kultusminister Ivan Hudec hatte in den letzten Monaten zahlreiche regierungskritische Theaterdirektoren durch regimefreundliche Vertreter ersetzt.
Der australische Pianist David Helfgott, dessen Leben Thema des Films „Shine“ ist, unternimmt gegenwärtig eine 30tägige Tournee durch Nordamerika, die besucht ist wie nie zuvor.
Das Publikum – durch den in den USA bereits mit größtem Erfolg durchstartenden Film über die Abgrrrrrründe des Künstlerrrrs bestens informiert – möchte offenbar vor allem erleben, ob und auf welche Weise ein Künstler unter derart schwierigen psychischen Voraussetzungen (dpa), wie sie im Film geschildert werden, ein Konzert durchstehen kann. Jeder Gesichtsausdruck, jede seiner Körperhaltungen wird in der Pause und anschließend endlos diskutiert. Es gibt inzwischen beträchtliche Kritik daran, daß der 49jährige Helfgott überhaupt auf eine derartig anstrengende Konzertreise durch einen weit entfernten Kontinent geschickt wird. Seine Frau Gillian, 16 Jahre älter als er und hauptberufliche Astrologin, beruft sich bei ihrer Entscheidung (!) vor allem auf die Befragung der Sterne. Auf dem langen Flug von Australien nach Amerika sei ausgerechnet „Shine“ gezeigt worden, sagte sie bei einer Pressekonferenz in Boston: „Als der Film zu Ende war, hat David geklatscht und gesagt, er wolle ihn noch mal sehen.“ Nur ein Bruchteil der amerikanischen Kinogänger hat Gelegenheit, Helfgott bei seiner gegenwärtigen Tournee zu erleben. Die Musikkritiker winden sich zwischen Mitgefühl und Ärger über die offensichtlichen Unzulänglichkeiten. In der New York Times hieß es sogar, der Pianist scheine reduziert auf eine Marketing-Rolle für den Film wie einst die kleinen Plastik-Dinosaurier für „Jurassic Park“.
Eine „kollektive Bereitschaft“ der Deutschen zur Diskussion über die NS-Verbrechen sieht Jan Philipp Reemtsma. Beweise dafür seien die „unerwarteten Erfolge“ der Tagebücher Victor Klemperers mit Schilderungen der Judenverfolgung, Daniel Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“ und die Dokumentation über Verbrechen der Wehrmacht, so Reemtsma am Montag abend in Bonn bei der Verleihung des „Demokratiepreises“ an Goldhagen.
Der Frankfurter Historiker Prof. Lothar Gall (60) ist neuer Präsident der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er wurde Nachfolger von Prof. Eberhard Weis, der aus Altersgründen nicht mehr kandidiert hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen