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Mord-Drohungen gegen einen „Verräter“

■ PUA-Polizei: Einsatzzug-Beamter bestätigt nächtliche Aussetzungen Von Kai von Appen

Bei Einsätzen der „Koordinierungsgruppe Rauschgift“ („Kora“) ist in St. Georg Ende 1991 der sogenannte „Verbringungsgewahrsam“ angeordnet worden; dabei wurden Schwarzafrikaner nachts in abgelegenen Gegenden ausgesetzt. Dies hat ein früherer Beamter des Einsatzzuges Mitte II am Mittwoch bei seiner (nicht öffentlichen) Aussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei bestätigt, wie die taz gestern aus dem Rathaus erfuhr.

Demnach wurde die Maßnahme damals von Kora-Chef Günther Ebel angeordnet, weil die Zellenkapazitäten der Revierwache 11 nicht ausgereicht hätten, die Festgenommenen während einer Nacht aufzunehmen. Zudem habe sich die Vier-Stunden-Inhaftierung im Revier als untaugliches Mittel erwiesen, mutmaßliche schwarzafrikanische Dealer abzuschrecken und aus St. Georg zu vertreiben. Daher der Auftrag, Schwarzafrikaner eine dreiviertel Stunde von St. Georg wegzufahren und sie dann in Niendorf, im Freihafen oder in Rahlstedt nahe Stapelfeld auszusetzen.

Um die Maßnahme zu begründen, so der Polizeibeamte weiter, führten damals die Einsatzzüge eine Kartei, in der Afrikaner aufgelistet wurden. Beim vierten „Platzverweis“ wurde der Verbringungsgewahrsam angeordnet. 1992 wurde die (illegale) Kartei vernichtet.

Zu den Mißhandlungen, Schikanen und Scheinhinrichtungen von Schwarzen wollte der Zeuge nichts sagen – er verweigerte die Aussage, um sich nicht selbst zu belasten.

Zuvor hatte der Verfasser des sogenannten „Einleitungsvermerks“, der im September 1994 zum Rücktritt von Innensenator Werner Hackmann geführt hatte, dem PUA das Zustandekommen des Berichts erläutert, der über Mißhandlungen durch BeamtInnen des Einsatzzuges Mitte I informierte. Ein Beamter des (inzwischen aufgelösten) Einsatzzuges habe ihn, den Verfasser des Berichtes, im September detailliert über den „Verdacht“ rassistisch motivierter Straftaten der „Einsatzgruppe FD 125 I“ informiert: „Er wollte sich das von der Seele reden, aber keinen Bericht schreiben. Er hatte Angst, daß die Leute von dieser Gruppierung ihn körperlich angreifen würden. Er meinte, die sind gefährlich.“

Daher habe er den Bericht gefertigt und den Staatsschutz informiert. Am Morgen des 12. September – dem Tag des Hackmann-Rücktritts – habe er den Bericht seinem Revierführer übergeben, der ihn weiterleitete. Bereits am Nachmittag habe seine Ex-Frau („Sie steht im Telefonbuch, das war ihr Pech“) Drohanrufe bekommen. Inhalt: „Verräter!“ Und: „Dein Mann wird langsam und grausam sterben. Wir werden ihn in den Kopf schießen.“ Der Zeuge zu den Drohungen: „Daß es meine Ex-Frau und das Kind getroffen hat, hat mich sehr belastet. Ich habe beim MEK gearbeitet. Ich hatte keine Angst. Ich kann auf mich aufpassen.“

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