Selbstbestimmtes Nein

■ Revision des Sexualstrafrechts gefordert

„Nein heißt nein!“, stellen die Hamburger und Schleswig-Hol-steiner Notruf-Gruppen für vergewaltigte Frauen und Mädchen unmißverständlich klar. In einer Entschließung fordern sie die seit gestern in Lübeck tagende Frauenministerinnen-Konferenz auf, sich für eine völlige Revision des Sexualstrafrechts – Paragraphen 177 ff StGB – einzusetzen. Die Konferenz hat zugesagt, sich heute mit der Vorlage zu befassen.

Die Notruf-Frauen wollen endlich eine Gesetzgebung, „die das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Frauen, Lesben und Mädchen garantiert.“ Statt dessen sei immer noch das Tatbestandsmerkmal der „Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben“ Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Vergewaltigung. „Es kommt nicht darauf an, auf welche Weise der Wille einer Frau mißachtet wird“, betonen die Frauen, jegliche Form der Mißachtung sei „Gewalt und damit unter Strafe zu stellen“.

Die „minderschwere“ Beziehungstat – das Opfer kennt den Täter – ist für sie eine „Bagatellisierung und Legitimierung von sexueller Gewalt“; die Tatsache, daß Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung in der Ehe immer noch nicht unter Strafe stehen, bezeichnen die Notruf-Mitarbeiterinnen als „Ausdruck extrem frauenfeindlicher Gesetzgebung“.

Opfer sind keine Täterinnen und haben Anspruch auf mehr Schutz als bisher: „Die Beweisaufnahme darf nicht das Verhalten der Frau und ihre Lebensführung zum Gegenstand machen“, fordern die Notruf-Frauen. Es darf nicht angehen, daß Opfer sexueller Gewalt einer richterlichen Männerriege gegenübersitzen. Die Gerichte sollten deshalb paritätisch mit Frauen und Männern besetzt werden, die speziell für solche Verfahren fortgebildet sind.

Außerdem soll nach den Vorstellungen der Notruf-Frauen der Ausschluß des Angeklagten erleichtert werden, um der Frau die wiederholte Konfrontation mit dem Vergewaltiger zu ersparen. Das Recht auf Anwesenheit einer Vertrauensperson – Rechtsanwältin oder Notrufmitarbeiterin – während der polizeilichen Vernehmung und der Hauptverhandlung soll den Opfern ebenso helfen wie die Anonymität des Opfers während des Verfahrens. Kai von Appen