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Dem Kühlschrank was Warmes

■ Wolfgang Strack stellt bis 1998 „Metageniale Meisterwerke“im Kunsthaus aus

Wolfgang Strack ist vemutlich der unbekannteste prominente Künstler in Hamburg. Geboren 1956 in Landau in der Pfalz, beschäftigt sich der studierte Künstler und Kunsthistoriker heute mit dem Mythos vom Künstler, und zwar in einer Art „Schlittenfahrt in die Märchenwelt der Künstler-Biografien“. Seine auf die Kunst bezogenen Installationen hat er meist mit den beliebten Comic-Figuren der Schlümpfe verkoppelt.

Lebenslauf/Werklauf - dieses Beuys'sche Diktum ist Strack zur Inspirationsquelle geworden und hat ihn 1992 gleich mit seiner ersten öffentlichen Ausstellung zur documenta IX katapultiert. Jetzt zeigt der Harald Schmidt des Kunst-Zirkus sein über ein gesamtes Jahr laufendes Projekt Metageniale Meisterwerke im Kunsthaus Hamburg. Im meist zweimonatigen Wechsel widmet er sich der Kunst einiger weltberühmter Künstler, die zwischen der Galerie der Gegenwart und den Deichtorhallen den Blick auf die Kunst beherrschen. Er selbst bedauert, daß er nur „fünf Tage vor Leonardo da Vincis 405. und vier Tage nach Raffaels 473. Geburtstag als Sohn seines Vaters und seiner Mutter“geboren wurde.

taz: Wie bist Du eigentlich damals zur documenta IX gekommen?

Wolfgang Strack: Mit dem Auto. Und neun km vor Kassel hatte ich dann einen Unfall mit Totalschaden und blieb auf der Strecke. Dabei ist ein Teil meiner Kunst leider zerstört worden.

Wenn man von 0 auf 100 gleich die erste Ausstellung auf einer documenta macht, hat man dann noch Ziele?

Ja. Eine Kritik in der BHW-Bausparer-Zeitschrift oder in der Fachzeitschrift Der Deutsche Aquarienfreund. Das bekommt nicht jeder. Das hätte was. Ich wäre tief gerührt, vielleicht werde ich auch einen Lotto- und Toto-Laden auf einer Hallig eröffnen ...

Ist die Reihenfolge der acht Künstler in Deiner Ausstellung beliebig, oder nach einem System erstellt?

Die Ausstellung ist ein Versuch, aus acht Teilen über ein Jahr eine wohltemperierte Ausstellung zu komponieren. Die Dramaturgie besteht aus polkesker Ouverture, prominenziellen Partituren, terminologischem Intermezzo und so weiter ...

Ist es möglich, das an einem Beispiel zu konkretisieren?

Der Ausstellungs-Teil Beuys als gedachter Höhepunkt muß z.B. in der Weihnachtszeit stattfinden - mehr kann ich nicht verraten. Daß Franz Erhard Walther - parallel zu seiner kommenden Deichtorhallen-Ausstellung - als Finale gezeigt wird, ist mir sehr wichtig. Die in seinem konzeptionellen Ansatz enthaltene Aufforderung an den Rezipienten, mit dem Werk zu arbeiten und die Objekte zu benutzen, hat mich darin bestärkt, auch mit Werken anderer Künstler entsprechend umzugehen.

Wie empfindest Du Deine zentrale Stellung zwischen der Galerie der Gegenwart und der kalkulierten Sammlung Fröhlich in den Deichtorhallen?

Sehr gut, nur 17 Meter zu weit links zwischen Kühlschrank und Namensblöcken-Sammlung. Eben dem Kühlschrank etwas Warmes entgegenschlumpfen und den Namensblöcken meine metageniale Namensliste!

Was war Dein erster Eindruck von der neuen Galerie der Gegenwart?

Die Stufen am roten Sockel vor der Galerie sind ausgesprochen avantgardistisch. Ich bin gleich bei der ersten Stufe gestolpert und ging vor dem Avantgarde-Werk gezwungenermaßen in die Knie!

Wie würdest Du Deine Kunst, die ich als eine Kunst der Kritik und Kritik der Kunst verstehe, auf einen Begriff bringen?

Frohes Kunstzeug.

Was bedeutet das konkret?

Die Freiheit der Kunstproduktion impliziert immer die Freiheit der Kunstrezeption und das hat ein Künstler zu akzeptieren. Nur so kann man auch als Künstler weiterlernen und eigentlich macht man sie doch auch deshalb. Mir ist die Kunst viel zu ernst, als daß man sie der Wichtigtuerei überlassen könnte. Und um Dinge in ihrer Ernsthaftigkeit richtig auszuloten brauchen wir „Kunst-Lachverständige“- Schlümpfe eben. Nährt sich dieser Kunst-Ansatz um den stets wiederkehrenden „Verlust der Mitte“? Willst Du ihm einen Kunst-Denk-Prozeß aus konstruktiver Ironie und Selbstironie entgegensetzen?

So isses. Zum Wols!

Gab es in Deiner Sozialisation eine prägende Erfahrung, die Dich zur Arbeit mit den Schlümpfen veranlaßt hat?

Natürlich. Wie bei vielen meiner Generations-Genossen, war auch für mich 1968 von prägender Wirkung. In dieser Zeit hatte ich die erste Begegnung mit einem Schlumpf. Das hat mich sehr beeindruckt.

Wenn Dir dieser Schlumpf heute als gute Fee noch einmal begegnen würde, welche drei Wünsche würden Dir spontan einfallen?

Erstens, daß Kaiserslautern wieder in die 1. Bundesliga aufsteigt, zweitens, daß meine Vermieterin endlich die Heizungsanlage höher stellt und drittens, daß Claudia Schiffer Humor besäße ...

Fragen: Gunnar F. Gerlach

Bis Februar 1998, Kunsthaus, Klosterwall 15, Di-So 11-18, Do 11-21 Uhr, Eintritt frei

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