: Wehrmachts-Opposition gegen Vernichtungskrieg?
■ Von der CDU durchgesetzte zweite Wehrmachts-Ausstellung bestätigt: Es gab keinen 'Aufstand des Gewissens' gegen den Vernichtungskrieg in Serbien und der Ukraine 1941/42
Am 21. April wird in der Unteren Rathaushalle die andere Wehrmachtsausstellung eröffnet: Um die Aussagen der Hamburger Ausstellung über den „Vernichtungskrieg“(ab Ende Mai) zu relativieren, hatte die CDU im Koalitionskompromiß durchgesetzt, daß vorab über den „Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime“informiert wird.
Diese andere Wehrmachts-Ausstellung ist vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt des Verteidigungsministeriums zusammengestellt worden. „Diese Männer und Frauen haben ihr Leben gegeben, um Deutschland von der Schande zu befreien“, schreibt Verteidigungsminister Volker Rühe im Vorwort des aktuellen Katalogs – und das bezieht sich auf die Männer und Frauen des 20. Juli 1944.
Aber wie verhielten sich die Militärs, die Hitler beseitigen wollten, zu dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht, deren Abteilungen in den systematischen Mord an der Zivilbevölkerung, insbesondere den Juden, schon in den ersten Kriegsjahren in Serbien und der Ukraine beteiligt waren? Wichtige Personen des Widerstands von 1944 waren in der 6. Armee, die 1940/41 nach Osten marschierte, in verantwortlicher Position. Hier können die Wissenschaftler des Forschungsamtes nicht von Widerstand berichten. Der Katalog „Aufstand des Gewissens“erklärt, warum die konservativen Militärs beim Vernichtungskrieg eher ein Auge zugedrückt haben: Weil es gegen die Sowjetunion ging.
Die deutschen Militärs haben dabei genau gewußt, was in ihrem Verantwortungsbereich passierte. Die Ausstellung zeigt die „Denkschrift“des Generaloberst Johannes Blaskowitz vom 6.2.1940: „Es ist abwegig, einige 10.000 Juden und Polen, so wie es augenblicklich geschieht, abzuschlachten; denn damit werden angesichts der Masse der Bevölkerung weder die polnische Staatsidee totgeschlagen noch die Juden beseitigt. (...) Die sich in aller Öffentlichkeit abspielenden Gewaltakte gegen Juden erregen bei den religiösen Polen nicht nur tiefsten Abscheu, sondern auch ebenso großes Mitleid mit der jüdischen Bevölkerung...“( S. 83).
Dies war die Zeit, in der die Staatsstreich-Pläne von der Militär-Opposition zurückgestellt wurden. Der Begleitband zur Ausstellung erklärt, warum: „Die Mitglieder der konservativen Militäropposition befanden sich insofern in einem Dilemma, als sie als nationale Sachwalter fest davon überzeugt waren, es gebe ein zu lösendes Danzig- und Nord-Ost-Problem (d.h. Polen), wie es auch (Ernst von) Weizsäcker als politisches Problem bezeichnet hatte“(Katalog S. 371). „Vernichtung der Masse der im Westen Rußlands stehenden Roten Armee“(S. 96) war das Kriegsziel, das die deutschen Militärs einte.
Es gibt einzelne Beispiele, daß sich verantwortliche Offiziere den Vernichtungskrieg-Befehlen widersetzen wollten. „Widerstand gegen verbrecherische Befehle“heißt das Kapitel in dem 700 Seiten dicken Begleitband des Forschungsamtes. Die Männer, die sich „für die von der Vernichtung bedrohten Menschen einsetzten“, riskierten ihr Leben, stellt der Autor fest. Nach anderthalb Seiten ist das Militärgeschichtliche Forschungsamt aber mit den Jahren 1941/42 schon durch, mehr gibt es nicht zu berichten. Die mageren Hinweise beginnen mit der Klarstellung: „Der Rußlandfeldzug wurde von vielen deutschen Soldaten als notwendiger Kreuzzug gegen den Kommunismus empfunden.“(S. 108/9).
Auch die Generäle, die 1939 beim Krieg gegen Frankreich noch über einen Staatsstreich nachdachten, fanden den Krieg gegen Rußland „reizvoll“, zitiert der Austellungskatalog den damaligen Staatssekretär im Außenministerium von Weizsäcker: Die konservativen Widerstands-Kreise haben sich „an die routinemäßige Bearbeitung und Umsetzung der Hitlerschen Entscheidungen in einer umfangreichen operativen Planung gemacht und damit weitgehend auf ihre dienstliche Tätigkeit zurückgezogen.“(S. 380)
Auch deswegen klafft in der Geschichte der Militäropposition zwischen 1939/40 und 1944 eine Lücke, und das war die Zeit des Vernichtungskrieges der Wehrmacht im Osten. Einen „Aufstand des Gewissens“dagegen gab es nicht, dies bestätigt indirekt diese zweite Wehrmachts-Ausstellung. K.W.
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