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Großaktion der Polizei in der Wiener Drogenszene

■ Auf der Suche nach Kokain wurden auch einige Prominente festgenommen

Wien (taz) – Mit mehr als 50 Festnahmen seit dem Wochenende hat die Wiener Polizei in einer Großrazzia die lokale Drogenszene kräftig aufgemischt. Seit Freitag wurden zahlreiche In-Lokale und anrüchige Bars im Strichviertel von den Ordnungshütern umzingelt, die Kundschaft mußte sich – unter Protest – polizeilich überprüfen lassen. Immer wieder reagierte der Kokain-Schnelltester auf Silbertabletts und eingerollte Visitenkarten. Ein Anwalt, der in Gesellschaft von Unterweltkapos angetroffen wurde, wollte mit dem Kokainbriefchen unter seinem Sessel nichts zu tun haben, die Wirte der betroffenen Etablissements protestierten. Die meisten Festgenommenen konnten sich jedoch nach einem nächtlichen Verhör in ihren Luxusschlitten wieder nach Hause chauffieren lassen. Denn das österreichische Suchtgiftgesetz sieht zwar Gefängnisstrafen bis zu 20 Jahren für Handel im großen Stil vor, stellt es aber ins Ermessen der Staatsanwaltschaft, den Besitz und Erwerb kleiner Mengen zu verfolgen.

Erstes prominentes Opfer der polizeilichen Großaktion wurde der populäre Sänger Tony Wegas, der letzten Freitag verhaftet wurde – allerdings wegen Heroin. Er soll eine Kurierverbindung in die nur 60 Kilometer entfernte slowakische Hauptstadt Bratislava aufgebaut haben. Seine Lieferanten, ein junges Ehepaar, sind ebenfalls hinter Gitter gewandert.

Die Kokainversorgung soll ein 37jähriger Industriellensohn – der Öffentlichkeit nur als Christian N. bekannt – durch seine Kontakte nach Kolumbien sichergestellt haben. Versteckt in Autoersatzteilen, aufgelöst in der Wolle folkloristischer Ponchos oder in den Fotos farbiger Reiseprospekte, kam der Stoff auf dem Postweg.

Während Christian N. flüchtig ist, wurden zwei seiner Helfer, ein Mann und eine Frau, am Dienstag verurteilt – allerdings nur zu drei von fünfzehn möglichen Jahren Freiheitsentzug, denn beide dürften vor der Polizei kräftig ausgepackt haben. Weitere Festnahmen sind also zu erwarten. Ralf Leonhard

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