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Es wird heiß in Zaires Hauptstadt

In Erwartung der Ankunft der AFDL-Rebellen mobilisiert die Opposition in Kinshasa zum Generalstreik und ruft die Bevölkerung auf, sich vor der Regierungsarmee in Sicherheit zu bringen  ■ Von Daniel Stroux

München/Kinshasa (taz) – „Verbarrikadiert die Straßen, zündet Reifen an und behindert den Verkehr“: Mit solchen Aufrufen mobilisiert die Opposition in Zaires Hauptstadt Kinshasa zum Widerstand gegen Mobutu. Der Präsident solle zurücktreten und sich dem Willen des Volkes beugen. Für heute ruft die „Union für Demokratie und sozialen Fortschritt“ (UDPS) des am Mittwoch vom Militär abgesetzten Premierministers Etienne Tshisekedi zu einer „Aktion Geisterstadt“ auf, für morgen zu einer Großdemonstration von Schülern und Studenten.

Trotz des herrschenden Ausnahmezustands machen Flugblätter offen die Runde, die Oppositionspresse druckte am Wochenende das Demonstrationsprogramm. „Die Menschen erwarten Kabila“, sagt Rechtsanwalt Mwemba von der Partei FONUS („Neue Kräfte der Union und der Solidarität“), die der UDPS nahesteht. „Aber sie haben Angst vor einem Blutbad.“

Mwemba glaubt aber ebenso wie ein zairischer Mitarbeiter der deutschen „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ), daß die Soldaten in Kinshasa nicht motiviert seien, gegen die Rebellen der „Allianz demokratischer Kräfte für die Befreiung von Kongo/Ex-Zaire“ (AFDL) Widerstand zu leisten. „Wofür sollen die Soldaten kämpfen?“ meint der GTZ-Mitarbeiter. „Sie sehen gar keinen Grund darin. Wenn die Präsidialgarde kämpft, tut sie das für sich selbst.“

Wegen möglicher Gewalt sind dennoch viele Menschen dem Aufruf der Opposition gefolgt, ihre Wohnungen in der Nähe von Kasernen zu verlassen. Besonders berüchtigt ist das „Camp Kokolo“ in der Nähe des Stadtzentrums, wo die Praesidialgarde untergebracht ist. „Ein Freund, ein Offizier, hat bereits Frau und Kinder aus der Kaserne evakuiert“, weiß der GTZ-Mitarbeiter. Auch im Osten der Hauptstadt, Richtung Flughafen, sind viele Menschen dabei, ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. Aus dieser Richtung werden die Rebellen kommen.

Daß dies früher oder später geschieht, gilt als sicher, seit Präsident Mobutu am Samstag das Drei-Tage-Ultimatum von Rebellenchef Kabila zur Aufnahme von Gesprächen über seinen Rücktritt zurückwies. Mobutu nannte Kabila einen „Bandenchef“, mit dem man höchstens reden könne, wenn er „höflich“ darum bitte. Kabila sagte seinerseits, Mobutu habe versucht, ihn ermorden zu lassen. Die AFDL verkündete gestern, sie sei weiter auf dem Vormarsch. In den letzten Tagen hat sie nach eigenen Angaben Kolwezi in der Südprovinz Shaba eingenommen, Kananga in der Zentralprovinz West-Kasai und mehrere Orte im Norden des Landes. Ihren Berichten zufolge stehen Vortrupps der Rebellen nur noch 300 Kilometer von Kinshasa entfernt.

Der am Mittwoch nach der Verhängung des Ausnahmezustands von Mobutu eingesetzte neue Premierminister General Likulia stellte währenddessen in Uniform sein „Kabinett der Nationalen Rettung“ vor, das die Opposition in Kinshasa als „illegal“ bezeichnet. „Die Erklärung des Ausnahmezustands war ein Staatsstreich“, sagt Damien Simbi Musema, Generalsekretär der radikalen Oppositionspartei PDSC („Demokratische und christlich-soziale Partei“). Allerdings habe Tshisekedi die Situation provoziert. Der Oppositionsführer hatte das Amt des Premierministers akzeptiert, dann aber gesagt, daß er Übergangsverfassung und Parlament nicht anerkenne, sondern sich auf den legalen Rahmen der „Nationalkonferenz“ von 1992 berufe, deren Entwürfe zu einer Demokratisierung Zaires von Mobutu gestoppt worden waren. Und nicht zuletzt hatte Rebellenchef Kabila Tshisekedi vor einer Regierungsübernahme gewarnt.

„Tshisekedi wollte nicht regieren“, behauptet dagegen sein Berater Mukendi wa Mulumba. „Die Reaktion Mobutus war erwartet und die Entlassung geplant.“ Doch das klingt wie eine nachträgliche Ehrenrettung des Oppositionsführers. Inzwischen, so Mukendi, habe die UDPS zu den Rebellen intensiven Kontakt: „Kabila ist ein Partner der UDPS.“ Zwischenzeitliche Mißtöne seien auf ein Informationsdefizit zurückzuführen.

Außerhalb der UDPS hat Tshisekedi jedoch Kredit verloren. „Tshisekedi hat mit dem Feuer gespielt“, meint Rechtsanwalt Kinkela, zugleich erster Parlamentsreferent. „Wir brauchen seriöse Leute.“ Seine Haltung spiegelt die Meinung zahlreicher Politiker in Kinshasa wider. Kinkela hatte übrigens schon im vergangenen Oktober, noch vor der UDPS, zu Verhandlungen mit Kabila aufgerufen. „Wir hatten alles getan, um die Diktatur gewaltlos zu beseitigen. Das ist gescheitert. Jetzt werden wir uns nicht dem bewaffneten Kampf entgegenstellen. Die Ära Mobutu wird in Kürze zu Ende gehen. Es wird heiß in Kinshasa.“ Damit sind wohl nicht nur die derzeit gemessenen 33 Grad im Schatten gemeint.

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