: Heuchelnde „Antirassisten“
Das „Europäische Jahr gegen Rassismus“ ist für das Bundesinnenministerium eine Alibiveranstaltung. Institutionalisierter Rassismus kein Thema ■ Von Ole Behrens
Mit einer pompösen Eröffnungsveranstaltung wollte Barbara John, die Ausländerbeauftragte Berlins, den Auftakt zum „Europäischen Jahr gegen Rassismus“ medienfreundlich gestalten. Am 4. März lud sie in das Haus der Kulturen der Welt. Ganz ohne Störung verlief die Veranstaltung aber nicht.
Antirassistische Initiativen protestierten in- und außerhalb des Gebäudes: Bei der Ansprache des Berliner Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen hielten mehrere Menschen ein Transparent mit der Aufschrift „Heuchler“ hoch. Die Reden drehten sich zumeist um die Forderung nach mehr Toleranz im täglichen Leben, griffen aber auch brisantere Themen auf. So sprach Bundespräsident Roman Herzog von der Ausweisung straffälliger Ausländer. Seine Begründung: Diese hätten damit ihr Gastrecht verwirkt. Spätestens an dieser Stelle wurde klar, daß es nicht um eine Gleichberechtigung von Ausländern gehen soll. Die demütigende Formel des Gastrechts soll aufrechterhalten werden. Schon im Vorfeld erregte das Konzept großen Unmut. Initiativen kritisierten, daß das „Jahr gegen Rassismus“ vom Bundesinnenministerium koordiniert wird. Dieses sei hauptsächlich für die schlechte Situation der hier lebenden Ausländer verantwortlich. Bundesinnenminister Manfred Kanther die Mittelvergabe für ein antirassistisches Projekt anzuvertrauen, ist für sie Heuchelei. Schließlich sei er der Hauptverantwortliche für die jüngst geschaffene Visumpflicht für Kinder aus Nicht-EU-Staaten und für die Abschiebungen nach Bosnien.
Der institutionalisierte Rassismus fällt im Konzept des Innenministeriums gänzlich weg. Vielmehr wird auf fanatische Einzeltäter oder marodierende Faschocliquen eingegangen. Beispielhaft dafür steht die derzeitige Wanderausstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum Thema Rechtsradikalismus. Darin wird die rechte Szene als entwurzelte Bewegung ohne Berührungspunkte mit der Gesellschaft dargestellt. In diesem Zusammmenhang ist wohl auch der Versuch Barbara Johns zu verstehen, in ihrem Strategiepapier den Begriff Rassismus zu verwischen. Dieser sei als Folge des Nationalsozialismus in Deutschland „tabuisiert“ und negativ besetzt. Vielmehr sei der Rassismus eine Spielart der Fremdenfeindlichkeit und nicht umgekehrt, ließ sie verlauten. Weiterhin zweifelhaft ist das Finanzierungskonzept des „Jahres gegen Rassismus“. Knüpften viele Gruppen im Vorfeld große Hoffnungen an eine finanzielle Unterstützung, so stellte sich schon bald Ernüchterung ein.
So müssen die einzelnen Gruppen, wie bei allen europäischen Projekten, 50 Prozent der veranschlagten Summe selber aufbringen. Um den Rechenschaftsbericht des „Jahres gegen Rassismus“ möglichst groß erscheinen zu lassen, wurden verschiedene Veranstaltungen aufgeführt, die ohnehin stattgefunden hätten. Die 4,7 Millionen ECU, die für dieses Jahr angesetzt sind, stehen in keinem Verhältnis zu den Ausgaben für das in Bau befindliche Abschiebegefängnis in Büren – dies kostet immerhin 24 Millionen Mark.
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