„Zur Hölle mit den Teufeln“

Das Eishockeyteam der New Jersey Devils kämpft nicht nur gegen Play-off-Gegner Montreal, sondern auch gegen den Schatten der weit glamouröseren New York Rangers  ■ Aus New Jersey Albert Hefele und David Lettner

Wenn man den Lincoln-Tunnel hinter sich hat und aus dem Rückfenster des Taxis schaut, blickt man durch den Dunst über dem Hudson River auf das berühmteste Häusergebirge der Welt. Matt und abgegriffen, wie durch übermäßigen Gebrauch. Ein altes und immer wieder benutztes Abziehbild: die Skyline von Manhatten. Unser Taxifahrer hat für solche Nichtigkeiten kein Auge und keine Zeit. New York ist eine Stadt, in der mit allem Drum und Dran etwa elf Millionen Menschen leben. Mr. Turong findet den Meadowlands Sports Complex trotzdem. Durch Hoboken, zum New Jersey Turnpike über den Hackensack River. No problem.

Das Meadowlands ist schließlich beim besten Willen nicht zu übersehen inmitten der Parkplatz- und Highwaywüste New Jerseys. Keinerlei Erhebungen außer einigen Lagerhäusern und Hunderten von Lichtmasten, die wie dürre, aber offenbar sehr widerstandsfähige Pflanzen dem Asphalt entsprießen. Keine sehr attraktive Gegend. Gerade recht, um riesige Sportarenen hinzubauen: eine Pferderennbahn, das Giants-Football-Stadium und eben das Meadowlands. Heimat der New Jersey Nets und des Hockeyteams der Devils; ihre kalte Hölle sozusagen. Für die Mannschaft und im ausverkauften Zustand 18.000 Zuschauer. „Familienpublikum“, wie Mike Gilbert, der PR-Direktor sagt. „Nicht die Businesspeople, die zu den New York Rangers gehen.“

Man mag einander offenbar nicht besonders. „Okay. Beide Clubs sind ziemlich erfolgreich, aber man ist entweder Rangers- Fan oder ein Devils-Fan.“ Das sind einfache Leute ohne die Metropolen-Attitüde der Madison Square Gardener. Leute wie der optimistische Bob Camasto: „Ich bin sehr zuversichtlich, was die Play-offs angeht. Obwohl wir gerade in dieser entscheidenden Phase Dave Andreychuk verloren haben, wird die Mannschaft hart arbeiten und die nächste Runde erreichen.“ Ein Fan der ersten Stunde, als 1982 die Colorado Rockies zu New Jersey Devils mutierten.

In der NHL ein keineswegs seltener Vorgang – siehe Winnipeg Jets, nun Phoenix Coyotes. Die Inhaber der Clubs verpflanzen das Produkt Eishockey aus strategischen oder ökonomischen Gründen, mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen. John McMullen, der Besitzer der Devils zum Beispiel, wollte unbedingt einen Fuß in die New Yorker Tür bringen. Und ging, als ihm das nicht so recht gelang, gerade mit der Idee schwanger, das Hockeypaket nach Nashville abzuschieben. Das war 1995, und ausgerechnet da gewann die Mannschaft, deren Koffer schon im Flur standen, den Stanley-Cup. Pech für McMullen, denn nicht einmal er hatte den Mut, einen Stanley-Cup-Sieger zu verscherbeln.

1996 dürfte er schon wieder mit der Rechenmaschine gespielt haben, denn da war es nichts mit den Play-offs und das kann sich ein Top-Club kaum erlauben. Überhaupt sind sich alle einig: die Saison fängt erst mit den Play-offs an. Die Regular Season ist nichts als eine besseres Warmlaufen. Wer wüßte das besser, als Jaques Lemaire, der Headcoach der Devils. Eine Legende im NHL-Hockey – achtfacher Stanley-Cup-Gewinner. Pikanterweise mit dem Play- off-Gegner der Devils, den Montreal Canadiens. Pikanterweise fünfmal zusammen mit seinem Gegenüber auf der Trainerbank, Mario Tremblay.

Über welch unsichtbare Beziehungs- und Konfliktfäden die beiden Männer verbunden sind, kann man nur ahnen. Nachzuweisen ist ihnen mit Sicherheit nichts, dazu sind sie viel zu smart und kontrolliert. Verschanzen sich kühl blickend hinter den riesigen, fürchterlich gleißenden Ringen, die nur Stanley-Cup-Gewinner tragen dürfen. Die sie – viel zu unauffällig – in die Kameras halten, wie geweihte Reliquien, zum Schutz gegen das größte denkbare Übel: den Mißerfolg. Einen Schutz, den gerade Jaques Lemaire nicht nötig hat, sollte man meinen. Viele Fachleute halten ihn für den besten Coach in der gesamten Liga. Ein Mann mit Instinkt und Glück und ein Fachmann von hohen Graden. Der nicht davon begeistert ist, gegen die Canadiens aus Montreal spielen zu müssen: „Sie sind sehr schnell, und sie schießen Tore. Wir werden mindestens drei machen müssen, um zu gewinnen.“

Eine beeindruckend präzise Einschätzung, trotzdem nicht einfach in die Tat umzusetzen, denn die Devils sind eine defensiv ausgerichtete Mannschaft. Löschzug gegen Brandstifer. Steve „Stumper“ Thomas und Martin Brodeur gegen Mark Recchi und Saku Koivu. Und gegen die eigene Schwäche beim Powerplay. Frage an Jaques Lemaire: „Was kann man dagegen tun?“ Antwort: „Nichts. Arbeiten.“ Keine schlechte Idee, denn im ersten Spiel der Play-off-Serie wäre diese Schwäche den Devils fast zum Verhängnis geworden. Nach 2:0-Führung im ersten Drittel Ausgleich im zweiten (mit einem short-handed-goal) und zahllose Chancen in Unterzahl für die Canadiens. Keine Aufregung beim fünzigjährigen Headcoach der Teufel aus New Jersey: „Wir hatten eine Menge Commercials, so hatte ich Zeit, mit den Jungs zu reden.“

Und ihnen klarzumachen, wie man einer schnellen und technisch guten Truppe den Zahn zieht. Mit den unverbrüchlichen Werten aus der NHL-Bibel, Abteilung Defensive. Erstes Gebot: Checke deinen Gegner derart, daß er die Engel im Himmel singen hört. Zweites Gebot: Zwinge ihn zu Fehlern, indem du den Raum eng machst, und sorge – drittes Gebot – dafür, daß er vor deinem Tor den Schläger nicht aufs Eis bringt. Kein Schläger, keine Tore. Nicht so schwer? Stimmt, wenn man über eine hundertprozentige Physis und eine untadelige Technik verfügt.

Für die Devils lief jedenfalls alles nach Plan, das erste Match der Best-of-seven-Serie wurde noch 5:2 gewonnen (mit einem Tor von Keeper Brodeur Sekunden vor Schluß), das zweite am Samstag mit 4:1, wobei die Devils drei Tore in Überzahl erzielten. Die Fans waren begeistert, und das Team kann mit einer beruhigenden 2:0-Führung zu den nächsten beiden Spielen nach Montreal fahren.

Uninteressant für Sam, der uns mit dem Taxi zurück nach Manhatten bringt. Er mag Basketball. Hockey ist in New York nicht der große Renner. Wenn's denn sein muß, dann schon die Rangers. New Jersey? „To hell with the devils“, sagt Sam und reicht die Quittung nach hinten.