: In Papis 68er-Kiste gekramt
■ betr.: „Lieber ein tanzendes Chaos“, Autowaschen mit Rudi D., Mercedes-Werbung, taz vom 17. 4. 97
Waffen für die Túpac Amaru! Das kann und darf doch nun wirlich nicht wahr sein. Da macht sich ein wohl durchaus engagierter 18jähriger die politischen Handlungsvorstellungen zu eigen, die er irgendwo aus Papis alter 68er-Kiste gekramt hat und redet allen Ernstes auch noch von der „neuen“ Linken. Daß man sich von einer noch so perfekt organisierten Militärdiktatur gewaltfrei befreien kann, haben schließlich Gandhi, die Demokratiebewegung in den ehemaligen Ostblockstaaten bis hin nach Jugoslawien gezeigt. Und ob eine Herrschaft der Túpac Amaru in Peru wirklich eine Befreiung für die Bevölkerung sein würde, muß nach den von ihnen bekannten Praktiken wirklich stark bezweifelt werden.
Ach ja, lieber Jens Weide. Das „tanzende Chaos“. Gehört bestimmt nicht in eine täglich erscheinen müssende Zeitung, die seriös Bericht erstatten will. Mir ist eine eher informative als kreative taz entschieden lieber. Wo aber das „tanzende Chaos“, das als kreatives Durcheinander und Aktions- und Diskussionsforum einer „neuen Linken“ kräftig Anschub durch Ideenkraft geben könnte, bleibt dahingestellt, wenn statt neuer Programmatik einfach die Namen geändert werden (Guerilla in El Salvador = Túpac Amaru in Peru).
Zur Diskussion stehen dann eben (fast schon nicht mehr) einfach nur noch Fragen der Sorte „an wen können wir noch glauben“, mit denen Henrike Schulz die heutige Jugend charakterisiert. Da wir nun wirklich alles besser wissen als unsere Eltern, kann ein Glaube an deren Ideale und Leitbilder natürlich nur noch albern wirken. Und wenn niemand über Sartre spricht, dann doch nur deshalb, weil er nicht mehr lebt! Aber den Inhalt eines Meinungsartikels deshalb mit intellektueller Gleichgültigkeit zu füllen ist trotzdem keine Lösung. Wenn wir an niemanden mehr glauben können, müssen wir uns eben selbst zu Leitfiguren und intellektuellen Wortführern machen, dann aber mit Aussage und ohne resignative Gefühlsduselei. Denn hier wäre die Aufgabe einer wirklichen „neuen“ Linken zu sehen. In der Entwicklung von den 90ern angepaßten gesellschaftlichen Leitmotiven mit all ihren Schattierungen. Denn wenn die Jugend jetzt schon über sich selbst nörgelt und in selbstgefälliger Weltuntergangsstimmung schwelgt, ist es kein Wunder, daß sie im wahrsten Sinne „von einem neuen Mercedes der S-Klasse überrollt“ wird. Oder eben von einem der A-Klasse im Mittelteil der Zeitung.
Als selbst gerade erst seit dem 16. April 19jähriger bin ich insofern besonders interessiert an der „kindertaz“ gewesen. Und will trotz aller Kritik, die hoffentlich immer noch zu einer guten taz dazugehört, den Autoren ein großes Lob aussprechen. Endlich mal ein paar erfrischende Zeilen zwischen den sonst oft doch eher drögen Berichten der Alttazler! Ich hoffe, öfter ähnliches lesen zu können. Florian Beer, Rödinghausen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen