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Zarter Hauch von Nostalgie

■ Großbritannien: Blair vor einem glanzlosen Wahlsieg

Es war der Wahlkampf der enttäuschten Erwartungen. So grandios Tony Blair vor knapp drei Jahren als Labour-Chef begann, so kleinkariert und vorsichtig tritt er heute auf, wenige Tage bevor er allen Prognosen zufolge neuer Premier wird.

So wenig verändern wie möglich, lautet die Labour-Devise – und so läßt der voraussichtlich erste Labour-Sieg in Großbritannien seit 23 Jahren die Briten ziemlich kalt. In den Schlußtagen des Wahlkampfes dominiert die negative Propaganda. Sollten die Tories wieder gewinnen, so Blair, würde alles ganz schrecklich. Er hütet sich zu sagen, daß alles ganz wunderbar wäre, wenn Labour gewinnt.

Hätten die Tories noch einen Funken Leben in sich, müßte es ein leichtes für sie sein, die bereits beginnende Ernüchterung über die Kluft zwischen Rhetorik und Realität bei Labour auszunutzen. Aber Majors Partei hat den Wahlkampf im Grunde bereits abgehakt. Alle Parteigrößen spekulieren bereits anonym über die Machtkämpfe in der Opposition nach dem 1. Mai. Nur Major trottet noch brav und zunehmend hektisch durch das Land und versucht, auf einem sinkendem Schiff noch etwas Zuversicht zu verbreiten.

Anstelle von Aufbruchstimmung verbreitet sich bereits ein zarter Hauch von Nostalgie. Der konservativen Herrschaft weint zwar niemand eine Träne nach. Aber John Major umgibt fast eine Art warmes Abendlicht. Der wenig charismatische Aufsteiger, den die Tory-Aristokratie insgeheim zutiefst verachtet und deswegen auch problemlos fallenläßt, steht noch eher für die einfachen Briten als der aalglatte Tony Blair. Mit „New Labour“ drängt das britische Establishment wieder an die Spitze. Die Briten sind das gewohnt, daher werden sie vermutlich auch dafür stimmen. Aber ein fundamentaler Wandel ist das nicht. Dominic Johnson

Bericht und Interview Seite 9

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