Der letzte Griff zur Zichte

Punktum Schluß oder langsame Entwöhnung? Wer mit dem Rauchen aufhören möchte, muß lernen, eingeschliffene Gewohnheiten abzulegen  ■ Von Anke Nolte

Ginge es nach dem Willen von 136 Parlamentariern aus Union, SPD und FDP hätten wir bald amerikanische Verhältnisse in Deutschland: Ihr kürzlich im Bundestag eingebrachter Gesetzentwurf zum Schutz der Nichtraucher sieht ein striktes Rauchverbot in allen öffentlichen Gebäuden und am Arbeitsplatz vor – mit Geldbußen bis zu 100 Mark bei Zuwiderhandeln. Ob die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten ein solch strenges Vorgehen gegen Raucher unterstützen wird, ist noch offen.

Ebenso fraglich ist, ob sich Raucher per Gesetz vom Rauchen abhalten lassen. Außerdem müssen viele erst gar nicht von außen motiviert werden. Auch sie haben Angst vor den gesundheitlichen Folgen. Immerhin erkranken Raucher elfmal häufiger als Nichtraucher an Krebs, Herz-Kreislauf- oder Atemwegskrankheiten. Weitere Gründe fürs Aufhören können sein: Ärger über die zunehmende Abhängigkeit, sozialer Druck, Schwangerschaft, die hohen Kosten oder familiärer Protest.

„Drei Viertel aller Raucher wollen mehr oder weniger aufhören“, stellt Burckhard Junge, Rauch-Experte am Berliner Robert-Koch-Institut, fest. „Aber zwischen Wunsch und Aktion liegen Welten.“ Befragungen haben gezeigt, daß die Entwöhnungswilligen im Durchschnitt drei bis sechs Versuche brauchen. Die Mehrheit schafft es dann mit dem Prinzip „Punktum Schluß“, das heißt sofortiger Nikotinstopp.

Wenn die eigene Kraft nicht reicht, einen Schlußpunkt zu setzen, kann man fachliche Unterstützung und den Beistand einer Gruppe in Anspruch nehmen. Zwei Kurstypen sind am weitesten verbreitet: Für diejenigen, die nach dem bewährten Prinzip der Schlußpunkt-Methode, also von heute auf morgen, ganz aufhören wollen, bietet sich das Seminar „Endlich frei!“ vom Deutschen Verein für Gesundheitspflege an. Hinter diesem Kurs steht die 30 Jahre lange Erfahrung mit dem in den USA entwickelten „5-Tage- Plan“, der auf neun Treffen (innerhalb von vier Wochen) erweitert worden ist.

Schrittweise wird der Nikotinkonsum auch in dem Kurs „Nichtraucher in 10 Wochen“ (auch unter dem Namen: „Rauchfrei in 10 Schritten“) reduziert, der von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erarbeitet wurde. Dieser Kurstyp wird an Volkshochschulen oder anderen Erwachsenenbildungsstätten angeboten. Die Krankenkassen können seit Anfang dieses Jahres allerdings keine Raucherentwöhnungskurse mehr anbieten und auch die Kosten nicht mehr übernehmen.

Beide Angebote orientieren sich an der Verhaltenstherapie, die davon ausgeht, daß Gewohnheiten, und damit auch Rauchgewohnheiten, erlernt und wieder verlernt werden können, indem sie durch ein anderes Verhalten ersetzt werden. Bei einem langsamen Abgewöhnen fängt der Noch-Raucher damit an, in der für ihn einfachsten Situation die Zigarette wegzulassen, um bei immer mehr Gelegenheiten auf das Nikotin zu verzichten. Ein „Rauchertagebuch“ hilft, sich darüber klar zu werden, in welchen Situationen man zur Zigarette greift und was man statt dessen tun kann: sich zum Beispiel fünf Minuten Zeit für ein Gespräch nehmen. Tips zur Streßbewältigung und zur Vorbeugung der oft befürchteten Gewichtszunahme runden die Kurse ab. So geht es also nicht nur um das Freiwerden vom Nikotin, sondern um das Freibleiben durch einen neuen Lebensstil. „Das Aufhören mit dem Rauchen ist der leichteste Teil“, so Burckhard Junge, „das Nicht-wieder- Anfangen ist viel schwieriger.“

Gegen die körperlichen Entzugssymptome in der ersten Entwöhnungszeit können auch Nikotinkaugummis und -pflaster eingesetzt werden. Das Kaugummi ist allerdings wenig empfehlenswert, weil der Zusammenhang zwischen Sucht und Befriedigung nicht durchbrochen wird: Das Kaugummi ersetzt den Griff zur Zigarette, um den Nikotinspiegel wieder hochzubringen. Beim Pflaster wird dagegen kontinuierlich Nikotin über die Haut freigesetzt, so daß der „Gieper“ nach dem gewohnten Stengel verringert wird, aber der typische Nikotin-„Kick“ bleibt auch hier aus. Das Pflaster gibt es in verschiedenen Dosierungen, so daß die Nikotinzufuhr schrittweise verringert werden kann. Es sollte allerdings nur über einen begrenzten Zeitraum von höchstens drei Monaten und nur in Kombination mit einer Verhaltenstherapie angewendet werden. Denn es befreit höchstens von der körperlichen, nicht aber von der psychischen Komponente der Abhängigkeit. Außerdem ist eine Pflasterkur nicht ganz billig: Die durchschnittlichen Kosten liegen bei 300 bis 400 DM.

Einige hundert Mark kosten in der Regel zwei – nicht unumstrittene – Alternativverfahren zur Raucherentwöhnung. Bei der Akupunktur werden in ein bis drei Sitzungen die „Raucherpunkte“ am Ohr oder Körper „genadelt“, um das heiße Verlangen zu mildern. Bei dem Verfahren der Hypnose werden die Suchtzentren im Gehirn „besetzt“ und damit die Entzugserscheinungen weggeblendet. Wenn sich dieser psycho-physische Ausnahmezustand abgebaut hat, der je nach Behandlungsplan Tage, Wochen oder Monate dauern kann, „ist das Nikotin vom Körper vergessen“, so Gert Frost, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Hypnosetherapie und Psychotherapie e.V. in Köln, „und auch die positiven Gefühle beim Rauchen werden nicht mehr erinnert“. Im Gegensatz zu den verhaltenstherapeutischen Kursen, die auf den Willen und die Eigenverantwortung des Betroffenen bauen, geschieht der Nikotinentzug bei der Hypnose also gerade nicht über das Bewußtsein.

Bleibt die Frage nach den Erfolgsquoten der unterschiedlichen Methoden. Langzeituntersuchungen haben ergeben, daß die Rate nach einem Jahr bei 20 bis 30 Prozent liegt – quer durch alle Verfahren. Deutlich niedriger ist sie allerdings, wenn es nur bei einer ärztlichen Beratung oder einer Anwendung von Nikotinkaugummi oder -pflaster bleibt, ohne eine Verhaltenstherapie. Diese hat auf jeden Fall den Vorteil, daß den Teilnehmern Strategien an die Hand gegeben werden, wie sie selbständig einen Rückfall verhindern können. Streßsituationen, die zu einem Rückfall führen könnten, werden im Kurs vorweggenommen. „Nach einem halben Jahr ohne Zigarette ist man jedoch schon aus dem Gröbsten raus“, betont Junge, „und nach vier bis fünf Jahren gegen eine Rückfall gut geschützt.“