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Politik fängt jenseits von Sachzwängen an

■ betr.: „Lobeshymnen auf GB“, LeserInnenbriefe, taz vom 30.4. 97

Es ist schon erstaunlich, mit welchem Enthusiasmus sich manche Zeitgenossen für eine Gesellschaftsformation aus dem Fenster hängen, die so deutlich wie europaweit nie zuvor in frühkapitalistische Grausamkeiten zurückfällt.

Ich frage mich wirklich, ob die – mikroskopischen – Steigerungen des Realeinkommens usw. ausgleichen können, daß die dazugehörigen ArbeiterInnen mangels jedweder Sicherheiten gegenüber Entlassung, Krankheit u.ä. ständig am Rand des ökonomischen Abgrunds stehen; daß der übergroße Anteil neuer Jobs unter so hochentwickelten Rubriken wie Fließband, Hausmeister oder Pizzalieferant abgelegt werden kann; daß einen das unerschrockene Engagement für betriebliche Mitbestimmung zum angehenden Staatsfeind macht; daß kaum ein Penny der Wertschöpfungsgewinne im Land bleibt, mittels derer vielleicht bescheidene Reparaturen an den total zerstörten öffentlichen Sektoren (wie Gesundheit, Bildung oder bezahlbares Wohnen) vorgenommen werden könnten.

Ist es denn wirklich als Aufschwung zu bewerten, wenn nicht immer dieselben unter dem Existenzminimum leben, sondern ein paar Millionen sich turnusmäßig dabei abwechseln?

Ich denke, wer es gutheißt, daß ein halbes Volk in den Status von Arbeitsknechten ohne wirkliche Rechte und Entwicklungschancen gedrückt wird, nur damit sich überhaupt irgend etwas bewegt, hat offensichtlich seine (eventuell früher einmal vorhandenen) Visionen gegen die omnipräsenten Slogans der neoliberalistischen Propaganda eingetauscht. Ich hoffe aber doch, daß noch ein paar von den „professionellen Bedenkenträgern“ übrig sind, denen klar ist, daß Lebensqualität sich nicht an ein paar oberflächlichen makroökonomischen Daten messen läßt. Und daß Politik eigentlich erst jenseits der Sachzwänge anfängt. Florian Suittenpointner,

München

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