: Routiniert verkehrsberuhigt
■ Endlich! Polizei stoppt Raser auf der Grindelallee / Konsequentes Durchgreifen gegen Verkehrs-Rowdys Von Florian Marten
Tatort Grindelallee, nur wenige Meter entfernt von jener Stelle am Grindelhof, wo sich verzweifelte Anwohner seit Monaten mit Sitzblockaden und Demonstrationen gegen die Verkehrslawine in ihrem Wohnviertel zur Wehr setzen. An diesem Morgen sind unsere Mitbürger in Grün freilich nicht bloß ausgerückt, um das Demonstrationsrecht gegen hupende Autofahrer zu verteidigen. Der heutige Auftrag gilt – wie übrigens schon seit mehr als einer Woche – den Tätern, nicht dem Schutz der Opfer.
Der Beamte agiert ruhig, sachlich, aber bestimmt. Mit lässiger, doch unmißverständlicher Geste, locker aus dem Ellbogen heraus, stoppt der Beamte eines jener Geschosse, welche die Grindelallee zu der vielleicht höllischsten Verkehrsmeile unserer Stadt gemacht haben. Mit quietschenden Reifen kommt die junge Frau, wehende Haare, Pferdeschwanz, auf der nicht mal handtuchbreiten Buckelpiste zum Stehen.
Mit bleichem Gesicht, die Hand zur Stütze fest um den Griff ihrer Aktentasche gekrallt, nimmt sie die Ermahnung des graubärtigen Gesetzeshüters entgegen: „Sie sind in der falschen Richtung gefahren. Bitte schieben Sie Ihr Fahrrad zur Ampel zurück und benützen Sie den Fahrradweg auf der gegenüberliegenden Seite!“ Ein weißes Faltblatt beschließt den Kontakt Bürgerin/Staat. Nein, Kirchentag sei dank, diesmal gibt es noch keinen Strafzettel.
Die junge Frau schiebt ohne ein Widerwort ihr betagtes NSU-Rad mit den ausgeleierten Reifen und dem leicht verrutschten weißbeschichteten Drahtkorb inklusive Aktentasche zurück Richtung Grindelhof. Der vorderste Posten einer grünberockten Dreierstaffel hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Bäcker, Buchläden, Computershop und die altehrwürdige Universitäts-Bibliothek können an diesem Vormittag aufatmen. KeinE RadlerIn fährt in falscher Richtung an ihnen vorbei.
Der ertappte weibliche Verkehrsrowdy hat mittlerweile schiebend die sechs Spuren breite Grindelallee überwunden. Ein entschlossener Schwung aufs Stahlroß – jetzt geht es vorschriftsmäßig über das pampersschmale Asphaltwellblech vorbei an Haspa, Apple und Plattenladen zur Ampel bei der Edmund-Siemers-Allee. Vom jenseitigen Ufer staunt der Graubart herüber. Nur einige C02-Minuten später hat der Pferdeschwanz den breiten Strom erneut durchschwommen, das rettende Ufer erreicht. Die restlichen Meter zur Uni-Einfahrt beim Wiwi-Bunker sind schnell und gegenfahrradverkehrsfrei zurückgelegt.
Verkehrspolitische BeobachterInnen sehen in der verschärften Verkehrsberuhigung an diesem asphaltösen Mobilitätsbrennpunkt einen erneuten Beweis für die zunehmend engere Koordination zwischen Baubehörde – sie kämpft seit Jahren für die modellhafte Verkehrsoptimierung im Uni-Viertel – und der Innenbehörde, die bis vor kurzem das Vorhaben der Baubehörde noch mit kleinlichen Bedenken verzögerte. Eine Sprecherin der Innenbehörde wollte dies freilich gegenüber der taz so nicht bestätigen: „Die Aktion in der Grindelallee gehört zu unseren routinemäßigen Kontrollen. Wir führen sie schon seit Jahren zu Beginn jedes Sommers durch.“
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