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Der fröhliche Schwarzmaler

■ Keine Beileidsschreiben: Eine Retrospektive der Werke Pierre Soulages' in den Deichtorhallen

Seit zwanzig Jahren malt er nur noch Schwarz: Die Bilder des Pierre Soulages sind Variationen der gleichen Farbmaterie. Der 1919 im südfranzösischen Rodez geborene Künstler arbeitet mit den unterschiedlichen Wirkungen der Pinsel- und Spachtelspuren, wie es ähnlich Thema des Hamburger Malers Rolf Rose ist. Es ist ein kaum reproduzierbares Spiel der Textur mit dem Licht, das dem Schwarz jede Traurigkeit nimmt.

In abgeklärt sanfter Heiterkeit spricht der Maler, auch er ganz in Schwarz, anläßlich der Eröffnung seiner Retrospektive mit neunzig Bildern letzte Woche in den Deichtorhallen über sein Werk. Denn die mit der Farbe Schwarz sonst assoziierten Todesschatten und existentiellen Abgründe gelten nicht für Pierre Soulages: „Nur weil man mit schwarzer Tinte schreibt, muß es sich nicht um ein Beileidsschreiben handeln.“Aber vielleicht um ein Winterbild: Als Kind zog er schwarze Striche auf ein weißes Papier und nannte das zum Amüsement seiner Erzieher eine Schneelandschaft. Jahrzehnte später sind es wieder dunkle Strukturlinien in milchigem Glas, mit denen der nun weltbekannte Maler seit 1986 die 104 Kirchenfenster in der romanischen Basilika von Conques gestaltet.

Die Farbe ist für Pierre Soulages vor allem Spiegel des Lichts. So bezeichnet er seine Bilder nicht als monochrom, sondern als „monopigmentaire“, was etwa mit „einfarbstoffig“zu übersetzen wäre. Und noch deutlicher bekräftigt er: „Ich male nicht mit Schwarz, sondern mit Licht, reflektiert durch Schwarz.“Licht aus Schwarz: Das erinnert an die Metaphern der Kunstkritik vor 1968.

Gezeigt wird das konsequente Lebenswerk eines niemals müden Einzelgängers, interessant vor allem durch die späte, rigorose Reduktion. Erst vor der Aktualität dieser Schwarzmalerei öffnet sich ein frischer Blick auf die farbschön reduzierten Bildgesten der vierziger bis sechziger Jahre, die immerhin damals als so vorbildhaft geschätzt waren, daß Pierre Soulages jeweils an der documenta I – III teilgenommen hatte.

Noch ein anderer Zugang zu diesen großen, dunkelleuchtenden Bildtafeln ist möglich. „Ich werde ein Gedicht aus reinem Nichts machen ...“beginnt Wilhelm IX; Herzog von Aquitanien, seine troubadourhaft vergeistigten Liebesverse. Wenn Pierre Soulages diese Lyrik aus dem 11. Jahrhundert zitiert, betont er den meditativen Aspekt seiner Bilder, der ihm auch im häufig bereisten Japan immer wieder bestätigt wurde.

Schon im alten Edo gab es die Lackmalerei „hake-me“, deren Wesen darin bestand, daß das Licht sich in den Pinselspuren entfaltete. Und für kalligraphische Zeichen mit schwarzer Farbe gibt es in keinem anderen Land so hohes Verständnis: 1994 erhält Pierre Soulages in Tokio den kaiserlichen Prix Imperial, einen der höchstdotiertesten Kunstpreise der Welt.

In der internationalen Anerkennung bestätigt sich jene pathetische Universalität, die die Abstraktion nach 1945 immer gefordert hat und die auch ohne Kenntnis aller Kontexte individuell funktioniert. „Ein Bild soll keinen Sinn transportieren, sondern Sinn machen, in der Betrachtung und immer wieder neu.“

Hajo Schiff

Deichtorhallen, bis 17. August, Katalogbuch 32 Mark. „Noir Lumiere“, Dokumentarfilm von Reiner Moritz, So, 15. Juni, 11 Uhr, Abaton

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