: „Er ist einfach kein normaler Mensch“
■ Mehrere hundert Fans begrüßten Michael Jackson gestern auf dem Bremer Flughafen
Eineinhalb Stunden bevor Michael Jacksons Privatjet auf dem Rollfeld des Bremer Flughafens landet, ist an der Balustrade auf der Besuchertribüne kein Platz mehr frei. Mehrere hundert Fans drängen ans Gitter, um einen Blick auf den „King of Pop“zu erhaschen. „Dahinten gibt es Eis umsonst“, versucht ein etwa Zehnjähriger seine Altersgenossen vom Gitter wegzulocken. „Ich weiß, D.J. Bobo steht auch da. Du willst nur einen besseren Platz haben. Vergiß es“, erwidert einer der Pökse. Der Kleine zieht die Stirn kraus und überlegt. „Hmmm“, sagt er schließlich und dreht sich zu seinem Freund um. „Je größer das Gedränge, desto besser unsere Chance. Wenn Jacko kommt, gehen wir in die Offensive.“Ein Konvoi von acht Autos und zwei Motorrädern fährt übers Rollfeld zum Landeplatz. „Eskorte“, murmelt einer der Jungen. „Jetzt kann Jacko nicht mehr weit sein.“
Die 38jährige Dorothea steht etwas abseits. Auf einer Hand balanciert sie ein Mosaik aus Bonbons. „Für Michael“, sagt sie und strahlt. „Das ist ein Pfau. Er ist aus Merci-Bonbons, weil ich ihm so dankbar bin.“Michael war nämlich ihre erste große Liebe, erzählt sie und drückt ein Gummibärchen, das sich vom Rand des Bildes gelöst hat, wieder in den Zuckerguß. „Michael liebt den Peacock, denn der Pfau steht für Vielfalt“, erklärt sie ihr süßes Kunstwerk. Ob ihr Angebeteter das Bild jemals bekommt? „Wenn er es sieht, will er es garantiert haben“, ist sich Dorothea sicher.
Steffi (22) und Frank (23) haben einen Platz direkt an der Balustrade ergattert. Seit sechs Uhr früh stehen sie schon auf der Zuschauertribüne. Steffi hat sich als Geschäftsfrau ausgegeben und ein Zimmer im Park Hotel ergattert. Was ein Zimmer in dem Nobel-Hotel kostet, weiß sie nicht. „Das werde ich ja sehen, wenn ich die Rechnung bekomme. Hauptsache, ich bin in Michaels Nähe.“Frank zieht eine Papiertüte mit Fotos aus seiner Sporttasche. „Wir versuchen immer so nahe an Michael ranzukommen wie möglich. Das hier ist in Amsterdam.“Das Foto zeigt Jackson, der einen schwarzen Mundschutz trägt und in eine Limousine steigt. „Ich habe gerufen, send greetings to your sister Jeannette. We love her. Michael hat sich umgedreht und gesagt, Jeanette loves you more.“„Er ist einfach großartig“, nickt Steffi. „Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, war ich wie gelähmt. Er schwebt ja über dem Boden. Er ist kein normaler Mensch. Er ist irgendwie höhergestellt.“Daß ihr Idol Kinder mißbraucht haben könnte, glaubt keiner der Fans. Die Frage provoziert böse Blicke. „Das war eine üble Kampagne von Leuten wie euch. Aber da könnst Ihr behaupten, was ihr wollt, wir halten zu ihm“, schimpft einer der Fans und dreht sich abrupt um.
Plötzlich sticht ein kleines Flugzeug durch die weißen Wolken am Himmel. „Ob das Jacko ist“, fragt sich der Knirps und kneift die Augen zusammen. Er hat sich inzwischen in die zweite Reihe vorgekämpft. Der Jet setzt sanft auf die Rollbahn auf und fährt zum Landeplatz, der etwa 300 Meter von der Tribüne entfernt liegt. Die Gangway wird heruntergelassen. Zwei Polizisten gehen hinauf ins Flugzeug. „Michael, Michael“, rufen die Fans. Spruchbänder wehen im Wind. „We love you“und „Let's write history in Germany“, steht dort in großen Lettern. Eine kleine schwarzgekleidete Person steigt die Gangway hinunter und reißt die Arme hoch. „Jaaaaaaa“, schreien die Fans. Kurz darauf setzt sich der Konvoi in Bewegung und fährt in Richtung Tribüne. „Er kommt“, schreit der Knirps, macht einen beherzten Schritt und steht an der Balustrade. Er legt den Arm um seinen Freund und zieht ihn ans Geländer. Geschafft. „Michael, Michael“, schreit die Menge. Jackson steigt aus einem roten Kombi und geht unter der Tribüne entlang. Die Straßsteine auf seinem schwarzen Anzug blitzen in der Sonne. Ein Teddy-Bär fliegt auf das Rollfeld. Der Star hebt den Arm. Mittel- und Zeigefinger sind zum Victory-Zeichen erhoben. Der Knirps vollführt Luftsprünge und schreit: „Er sieht uns, er sieht uns...“ kes
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