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Mr. Marlowe geht auf Schnitzeljagd

■ Bei der „Criminale“zu Jever suchten 150 Krimi-AutorInnen nach vielen Unbekannten

Manchmal verbirgt sich die Misere schon im Motto. Unter dem Titel „Arsen und Friesennerze“veranstaltete das „Syndicat“, der Zusammenschluß deutschsprachiger KrimiautorInnen, vom 28. Mai bis zum 1. Juni im friesischen Jever seine Jahrestagung. Zu Lesungen, Film- und Theatervorführungen sowie zur Verleihung der Preise „Glauser“und „Ehren-Glauser“fand sich ein, wer in der deutschen Krimiszene Rang und Namen hat – oder noch daran arbeitet.

Trotz steigender Titelzahlen in den letzten Jahren greift die deutsche Mimi in acht von zehn Fällen zum Leidwesen der AutorInnen zu einem amerikanischen, englischen oder skandinavischen Roman. Ist der deutschsprachige Krimi wirklich so schlecht, wie viele glauben? Oder führen die konstant hohen Auflagenzahlen der Klassiker wie Agatha Christie oder Dashiell Hammett zu einer Verzerrung der Verkaufszahlen? So genau weiß das auch beim „Syndicat“niemand. Marktanalysen oder empirische Studien liegen bislang nicht vor.

Bei Krimis gibt es mittlerweile mehr Varianten als bei Schnitzeln auf der Karte eines Landgasthauses: Regionalkrimis, Tierkrimis oder gar historische und hysterische Krimis wetteifern um die Gunst der LeserInnen. Jeder Verlag will seine Krimireihe und am besten gleich noch eine eigene Reihe mit Frauenkrimis dazu, denn Frauen – wenigstens das ist bekannt – machen mit 70 Prozent den Großteil der Leserschaft aus. Als sich die AutorInnenvereinigung „Syndicat“1986 mit 30 Mitgliedern konstituierte, ging es noch vor allem darum, dem deutschen Krimi Anerkennung zu verschaffen. Heute treffen sich die über 150 „Amigos und Amigas“einmal jährlich zur „Criminale“, die vor allem dem Erfahrungsaustausch und der Nachwuchsförderung dienen soll.

Für die interfamiliäre Kontaktpflege war die friesische Provinz eine richtige Wahl. Ein Jahrmarkt in Jevers Altstadt bot mit seinem Schlager-Gejammer den absurden Rahmen dazu und war zugleich Gegengewicht zum angestrengt wirkenden Humor des Mottos und einiger Werke.

Für Krimifans gab es ein umfangreiches Programm mit über 40 Lesungen – unter anderem von Edith Kneifl, Ingrid Noll, dem Jungstar Thea Dorn und der amerikanischen Bestsellerautorin P.M. Carlson. Doch die meisten Veranstaltungen waren schlecht besucht. Außerdem beklagte mancher Autor die mangelnde Präsenz der Verlage. Doch dabei sollten gerade die Interesse am deutschen Krimi haben, denn Lizenzen und Übersetzungen ausländischer Krimis sind teuer.

Schließlich wurde der wichtigste deutsche Krimipreis verliehen. Der mit 10.000 Mark dotierte „Glauser“ging an den Potsdamer Autor Hartmut Mechtel für seinen Roman „Der unsichtbare Zweite“. Mechtel ertrug die Rituale der Preisverleihung geduldig und konnte dafür – milieugemäß – mit einem abgewetzten Koffer mit 1.000 gebrauchten, nicht registrierten Zehnmarkscheinen nach Hause gehen. Eine Bronzeskulptur als „Ehren-Glauser“erhielt der Berliner Schriftsteller und Hörfunk-Autor Richard Hey.

Im kommenden Jahr wird der nach dem „Wachtmeister Studer“-Erfinder Friedrich Glauser benannte Preis in Berlin vergeben. Dann wird es weniger familiär zugehen, aber die Lesungen werden mit Sicherheit besser besucht sein. Und ein kritischeres Publikum wird voraussichtlich dazu beitragen, daß das „Syndicat“seinem Ziel, den deutschen Krimi durch eine Qualitätsverbesserung konkurrenzfähig zu machen, näher kommt.

Martin Baltes

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