: Kongo-Krieg überquert den Fluß
■ In Kongo-Brazzaville gerät der Präsident – ein Freund Mobutus – unter militärischen Druck eines Exdiktators
Berlin/Brazzaville (taz/AFP) – Wer zukünftig in der Republik Kongo-Brazzaville in Zentralafrika regiert, entscheidet sich militärisch. Milizen des wichtigsten Oppositionspolitikers Denis Sassou- Nguesso haben in den letzten drei Tagen mehr als die Hälfte der Hauptstadt Brazzaville unter ihre Kontrolle gebracht und meldeten gestern die Einnahme des Regierungssitzes.
Sassou-Nguesso war von 1969 bis 1992 Militärdiktator von Kongo-Brazzaville und verlor dann die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes. Das hat er seinem demokratisch gewählten Nachfolger, Präsident Pascal Lissouba, nie verziehen, und bereits 1993 forderten Kämpfe zwischen der Regierungsarmee und den Milizen des Exdiktators in Brazzaville mehrere tausend Tote. Eigentlich hat das Land seitdem nie richtig Frieden erlebt, was vor allem daran liegt, daß jeder wichtige Politiker in Kongo-Brazzaville, auch Lissouba, eine eigene Miliz aus seiner jeweiligen Heimatregion hat. Die verschiedenen Milizen kontrollieren verschiedene Stadtteile von Brazzaville. Im Dezember 1995 wurde die Auflösung aller Milizen vereinbart – aber nur etwa 4.000 der insgesamt etwa 10.000 Milizionäre schlossen sich den unterbezahlten staatlichen Sicherheitskräften an.
Je näher die für den 27. Juli geplante Präsidentschaftswahl rückt – bei der Sassou-Nguesso zurück an die Macht kommen will –, desto öfter kommt es wieder zu Gewalt zwischen rivalisierenden Milizen in verschiedenen Landesteilen. Am 1. Juni unterzeichneten zwar die wichtigsten Politiker, darunter Lissouba und Sassou-Nguesso, ein Abkommen, wonach sie auf „Waffengebrauch als Mittel der Austragung friedlicher Konflikte“ verzichten. Aber nachdem eine Gruppe von Sassou-Nguessos Anhängern eine Wahlveranstaltung der Präsidentenpartei störte, hielt es Präsident Lissouba für nötig, gewaltsam mit der Entwaffnung der Milizen zu beginnen, und er schickte am Donnerstag die Armee in Sassou-Nguessos Hochburg im Norden von Brazzaville. Als Begründung für die Militäraktion führte die Regierung an, es seien in letzter Zeit große Mengen Waffen und sogar ausländische Söldner ins Land gelangt. Sassou-Nguessos Residenz wurde mit schwerer Artillerie beschossen; im Gegenzug setzte seine Miliz zum Angriff auf die Regierungsarmee an. Die schweren Kämpfe, bei denen Sassou-Nguesso bisher die Oberhand behält, wurden von weitverbreiteten Plünderungen begleitet. Augenzeugen berichten von zahlreichen Leichen in den Straßen.
Eine besondere Brisanz gewinnen die Ereignisse dadurch, daß Brazzaville direkt gegenüber Kinshasa am Kongo-Fluß liegt. In Kinshasa stürzte vor drei Wochen die AFDL-Rebellenbewegung unter Laurent Kabila den Diktator Mobutu Sese Seko und rief die Demokratische Republik Kongo aus. Lissouba gilt als Freund Mobutus. Ob Sassou-Nguesso, der sich in der Vergangenheit als Marxist begriff, Kabila nahesteht, ist nicht bekannt; aber sowohl Kabila wie auch Sassou-Nguesso sind mit der einst sozialistischen Regierung des Nachbarlandes Angola verbündet, während Mobutu und Lissouba den angolanischen Unita-Rebellen nahestehen. Daß viele Anhänger Mobutus nach dem Fall Kinshasas über den Fluß nach Brazzaville flohen, kann zusätzlich zur Verschärfung der Spannungen beigetragen haben. D.J.
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